MenschenrechtsaktivistInnen aus Mali als ProzessbeobachterInnen beim Oury Jalloh-Prozess vor dem Landgericht Magdeburg

Pressemitteilung von Afrique-Europe-Interact / Mittwoch, den 9. November 2011/ Kundgebung: Donnerstag, 10. November, 15.30 Uhr

Anlässlich einer von Afrique-Europe-Interact in Kooperation mit dem Bildungswerk der Heinrich-Böll-Stiftung organisierten Veranstaltungsreise durch Deutschland, die Niederlande und Österreich werden am Donnerstag, den 10. November 2011, drei MenschenrechtsaktivistInnen aus der malischen Hauptstadt Bamako als ProzessbeobachterInnen am Oury Jalloh-Prozess in Magdeburg teilnehmen. Sie möchten sich auf diese Weise ein eigenes Bild von dem Prozess machen, über den mittlerweile auch in westafrikanischen Medien regelmäßig berichtet wird. Von besonderem Interesse werden unter anderem zwei Fragen sein, die auch der Revisionsprozess bislang nicht beantworten konnte: Zum einen die Frage, ob die beiden Polizisten Hans-Ulrich März und Udo Scheibe eine halbe Stunde vor Brandausbruch die Zelle von Oury Jalloh betreten haben, wie ihr Kollege Torsten Bock ausgesagt hat? Oder ob sie zu diesem Zeitpunkt Streife gefahren sind, wie sie selber behaupten, ohne dass dies jedoch im elektronischen Journal des Dessauer Polizeireviers gespeichert wäre? Zum anderen die Frage, wie das Feuer überhaupt entstanden ist. Denn der bisherige Brandgutachter Klaus Steinbach, der bereits im ersten Prozess das Brandgutachten erstellt hat, fühlt sich weiterhin an die ursprünglichen Vorgaben der Staatsanwaltschaft Dessau gebunden: Danach sollte in den Brandversuchen nur ein Brandverlauf geklärt werden, bei dem Oury Jalloh das Feuer selbst entzündet hat. Alternative Szenarien sind demgegenüber bis heute nicht geprüft worden, weshalb die Menschenrechtsdelegation aus Mali die Forderung der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh nach Einsetzung eines internationalen, in alle Richtungen ermittelnden Brandgutachters ausdrücklich unterstützt.

Die drei MenschenrechtsaktivistInnen sind in Mali in migrationspolitischen Organisationen aktiv, ihnen ist also die Situation von afrikanischen Flüchtlingen und MigrantInnen in Europa bestens vertraut. Von dem Feuertod Oury Jallohs haben sie erstmalig im Januar 2011 anlässlich einer dreiwöchigen Karawane für Bewegungsfreiheit und gerechte Entwicklung von der malischen Hauptstadt Bamako zum 11. Weltsozialforum in Dakar/Senegal erfahren – einem Projekt, das von dem transnationalen Netzwerk Afrique-Europe-Interact organisiert wurde. Denn auf Betreiben eines Mitglieds der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh wurde im Zuge der Karawane mehrfach ein pantomimisches, lediglich auf Geräuschen und Musik basierendes Theaterstück aufgeführt, welches das Leben des Asylbewerbers Oury Jalloh nacherzählt – angefangen beim Bürgerkrieg in Sierra Leone bis zum Feuertod in einer deutschen Polizeizelle in Dessau. Mittlerweile ist das Stück in Mali zum Selbstläufer geworden, es wurde von einer an der Karawane beteiligten Musikergruppe ‚adoptiert‘ und wird regelmäßig bei Musik- und Theaterfestivals gezeigt.

Die ProzessbeoachterInnen werden am Donnerstag nach dem Prozess bei einer öffentlichen Kundgebung um 15.30 Uhr vor dem Magdeburger Landgericht von ihren Eindrücken berichten, dazu gehört auch ein Bericht darüber, wie in Mali bzw. Westafrika über den Fall von Oury Jalloh nicht nur diskutiert, sondern auch empfunden wird.

Weitere Informationen zum transnationalen Netzwerk Afrique-Europe-Interact und zur Rundreise der Mali-Delegation finden sie auf der gleichnamigen Webseite www.afrique-europe-interact.net, über den Prozess in Magdeburg informiert die Webseite der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh: http://initiativeouryjalloh.wordpress.com/

Für Rückfragen stehen ihnen gerne ein Mitglied der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh oder die malischen MenschenrechtsaktivistInnen selbst zur Verfügung (ein Übersetzer steht zur Verfügung): Rokia Diarra Karambé – Präsidentin der Föderation der Vereine der MigrantInnen aus Mali (FAM/Fédération des Associations de Migrants de Mali); Alassane Dicko – Pressesprecher der Assoziation der Abgeschobenen Malis (AME/Association Malienne Expulsés); Hamada Dicko – Rechtsanwalt beim Verein zur Verteidigung der malischen MigrantInnen (ADEM/L’Association pour la Défense des Emigrés Maliens).