Antwort der Bundesregierung vom 16.12.2011 auf die kleine Anfrage der Fraktion die Linke im Bundestag http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/080/1708049.pdf
Ausgewählte Informationen von Dirk Burzcyk, wiss. Mitarbeiter im Büro von Ulla Jelpke, MdB:
(Frage 1)
Aktuell leben nur noch ca. 6.947 ausreisepflichtige Roma bzw. 8.178 ausreisepflichtige RAEMinderheitenangehörige (Roma, Ashkali, Ägypter) aus dem Kosovo in Deutschland. Die Zahl der Ausreisepflichtigen aus dem Kosovo insgesamt beträgt 10.224 Personen. Zum letzten bekannten Stand (30.6.2010, BT-Drs. 17/3328) waren es noch 8.489 Roma bzw. 10.041 RAEs. Mitte 2009 waren es noch 9.842 Roma bzw. 11.770 RAEs (BT-Drs. 16/14129). In zwei Jahren hat sich damit die Zahl der ausreisepflichtigen Roma-Minderheitenangehörigen aus dem Kosovo um 30 Prozent verringert.
80% aller Ausreisepflichtigen aus dem Kosovo sind RAE-Angehörige. Ausreisepflichtige Roma aus dem Kosovo leben vor allem in BW (1.062+264 RAE), Niedersachsen (2.076+289 RAE) und NRW (2.424+ 499 RAE), wobei der Rückgang in NRW mit -32% weitaus größer als im Durchschnitt (-18,5%) war. Überwiegend wird der Rückgang der Zahl der Ausreisepflichtigen mit Abschiebungen und „freiwillig“ erzwungenen Ausreisen bzw. Fällen des „Untertauchens“ (in Deutschland bzw. in einem anderen Land der EU) zu erklären sein. Theoretisch kann sich die Zahl der Ausreisepflichten auch dadurch verringern, dass ein Aufenthaltsrecht erteilt wird. Wer jedoch Mitte 2009 keine Aufenthaltserlaubnis auf Probe nach der Bleiberechtsregelung hatte, wird auch später im Regelfall kein Bleiberecht erhalten haben, allenfalls nach einer Härtefallentscheidung. Einzelne Bundesländer, darunter NRW, machten genauere Altersangaben: Demnach waren 35% der ausreisepflichtigen Roma unter 18 Jahre, 6,4% über 60 Jahre alt
(Frage 2):
Unter den 5.574 Geduldeten mit „kosovarischer“ Staatsangehörigkeit (aber auch unter den 11.819 Geduldeten mit (ehemals) „serbischer“ Staatsangehörigkeit (bzw. Vorgängerstaaten) werden sich weitere Roma aus dem Kosovo mit gefährdetem Aufenthaltsstatus befinden (aktuelle Abschiebungshindernisse, Rückstellungen wegen Schulbesuch usw.); die Volkszugehörigkeit wird hier aber nicht erfasst.
(Frage 6):
Unter den 1.877 Asylsuchenden (noch im Verfahren) mit „kosovarischer Staatsangehörigkeit“ waren 68% RAEMinderheitenangehörige, 47% von ihnen unter 18 Jahre alt.
(Frage 5):
Zwei Drittel der Asylanträge von Flüchtlingen aus dem Kosovo (2010: 1.426 von 2.202; bis 11/2011: 1.124 von 1.704 – d.h. leicht rückläufig) stammten von RAE-Minderheitenangehörigen. Die Gesamtschutzquote in Bezug auf den Kosovo beträgt ca. 3%. Bei Asylanträgen aus Serbien betrug der Anteil von RAE-Minderheitenangehörigen im Jahr 2010 95% (bis 11/2011: 93%), bei einer Gesamtschutzquote von ca. 0,5%. Deutlich überhöhte Antragszahlen (über 500) gab es in den Monaten September 2010 bis Februar 2011, sowie erneut ab September 2011 (gegenüber dem Vorjahr nur leicht rückläufig).
(Frage 7):
Im Jahr 2010 gab es folgende Abschiebungsaufträge bzw. Ersuchen der beiden Koordinierungsstellen Karlsruhe und Bielefeld:
– gesamt: 2.080 Personen [die Grenze von 2.500 soll nach politischen Zusagen nicht überschritten werden], darunter: – 167 „Straftäter“ (8%)
– 964 Familienangehörige (46%)
– 1.285 Roma-Angehörige (62%) + 278 andere Minderheitenangehörige (13%) = 75% Minderheitenangehörige!
– 385 „langjährig Aufhältige“ (18,5%) – seit 1.1.1998 (= über 12 Jahre!)
– 36 alleinerziehende Elternteile
– 10 Alte / Pflegebedürftige
– nur bei 21 Personen (1%) lagen Ausweisungsgründe vor!
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Von Januar bis Oktober 2011 gab es folgende Abschiebungsaufträge bzw. Ersuchen der beiden Koordinierungsstellen Karlsruhe und Bielefeld:
– – gesamt: 1.179 Personen [bei Hochrechnung aufs Gesamtjahr: ca. 24,5%],
– darunter: 99 „Straftäter“ (8,4%), 689 Familienangehörige (58,4%)
– 753 Roma-Angehörige (64%) + 130 andere Minderheitenangehörige (11%) = 75% Minderheitenangehörige!
– 210 „langjährig Aufhältige“ (17,8%) – seit 1.1.1998 (= über 13 Jahre!)
– 36 alleinerziehende Elternteile
– 5 Alte / Pflegebedürftige
– nur bei 18 Personen (1,5%) lagen Ausweisungsgründe vor!
– Die Zahl der Abschiebungsaufträge ist im Jahr 2011 etwa um ein Viertel zurückgegangen. Der Anteil von Minderheitenangehörigen ist anhaltend hoch (74%), der Anteil von Familienangehörigen ist zuletzt gestiegen (auf 58,4%). Fast jede fünfte zur Abschiebung angemeldete Person lebte bereits seit mehr als 12/13 Jahren in Deutschland! Jedes Jahr werden etwa 1.000 Roma aus dem Kosovo zur Abschiebung angemeldet.
(Fragen 8/9):
– Die meisten Rückübernahmeersuchen werden nicht fristgerecht beantwortet, so dass eine Zustimmung zur Rückübernahme durch Zeitablauf als erfolgt gilt (77% in 2010 bzw. 66% in 2011; 12% werden abgelehnt, weil die Person nicht ermittelt werden konnte).
(Frage 11):
– Fluganmeldungen zur Abschiebung gab es im Jahr 2010:
– 1.131, davon 663 RAE (58,6%)
Tatsächlich abgeschoben wurden dann im Jahr 2010:
– 573, davon 207 RAE (36%)
Fluganmeldungen zur Abschiebung gab es im Jahr 2011 (Jan. bis Okt.):
– 842, davon 425 RAE (50,5%)
Tatsächlich abgeschoben wurden dann im Jahr 2011 (Jan. bis Okt.):
– 415, davon 161 RAE (38,8%)
– Sog. „Straftäter“ sind unter den tatsächlich Abgeschobenen relativ häufiger vertreten (27,7% bzw. 33%) als bei
den Abschiebungsaufträgen, Familien relativ seltener (22,3% bzw. 23,6%). Mögliche Erklärungen: Täter in
Haft können nicht „untertauchen“, Familien können vermutlich häufiger erfolgreich Abschiebungshindernisse
oder Härtefallgründe geltend machen.
(Frage 14:)
– Laut ZAB Bielefeld sind 75% der Roma, für die Rückübernahmeersuchen gestellt und die dann nicht
abgeschoben wurden, untergetaucht, 10% stellten einen Asylfolgeantrag oder legten
Reiseunfähigkeitsbescheinigungen vor, bei 15% stellten die Behörden oder Gerichte Abschiebungshindernisse
fest.
(Fragen 12/13:)
– Sechs Charterflüge (Jan. bis Nov. 2011) für insgesamt 183 Personen (davon 65 Minderheitenangehörige)
kosteten 177.000 €.
– Unter der Regie von FRONTEX wurden 154 Personen aus Deutschland für 310.000 € in den Kosovo
abgeschoben – die Kosten / Person waren damit doppelt so hoch wie bei Charterflügen in nationaler Regie
(mehr als 2.012€/Person).
(Frage 15:)
Die Zahl der Personen, die mit Rückkehrhilfen „freiwillig“ in den Kosovo zurückkehrten, war im Jahr
2011 (Jan. bis Nov. 2011) sehr gering: 192 Personen, davon 38 Roma (20%).
(Frage 16:)
276 zurückgekehrte Personen (171 Abgeschobene, 105 „Freiwillige“) erhielten von Jan. bis Okt. 2011
eine „Betreuung“ durch URA 2 („allgemeine Beratung“), nur 214 erhielten finanzielle Hilfen (93 Roma) [z.B.:
max. 6monatiger Lohnzuschuss: 58 Personen, max. 6monatiger Mietkostenzuschuss: 107 Personen].