Beschleunigung der Dublinverfahren auf drei Monate ?
Statt den breiten Protest gegen die Dublin III – Verordnung zum Anlass zu nehmen, das Dublinsystem in Frage zu stellen oder zumindest eine großzügigere Inanspruchnahme des sog. Selbsteintrittsrechts in Erwägung zu ziehen, sinnen Bund und Länder nach Möglichkeiten, die Abschiebung von Flüchtlingen aus Deutschland in europäische Nachbarstaaten auszuweiten. In ihrer Besprechung vom 13.11.2014 haben die Bundesländer unter Federführung des BAMF eine ganze Reihe von fragwürdigen Maßnahmen zur Ausweitung von Dublin-Abschiebungen beschlossen. Das Protokoll Ergebnisse der Beratungen zu den von den Bundesländern dargestellten Problemen im Rahmen von Dublin-Überstellungen sieht u.a. folgende Maßnahmen vor:
- Aufstockung des “Referats für den Vollzug von Überstellungen (M26)” beim BAMF. “Gemeinsames Ziel von Bund und Ländern ist es, die Dublin-Verfahren so zu beschleuinigen, dass die Überstellungen noch aus den Aufnahmeeinrichtungen erfolgen können.”
- Das Ergebnis des zwischen BAMF und Kirchenvertretungen vereinbarten Gesprächs über Kirchenasyl steht offenbar schon vorher fest: “Die Entscheidung, dass Art. 29 Abs. 2 Dublin III Verordnung dahin angewendet wird, dass Personen, die sich ins Kirchenasyl begeben, flüchtig sind i.S.v. sich dem Verfahren absichtlich entziehen, wird dann umgesetzt.”
- Das BAMF soll ohne Abstriche für die Prüfung auch inlandsbezogener (etwa: krankheitsbedingter) Abschiebungshindernisse zuständig sein. Damit zementieren dioe Bundesländer ihre Unzuständigkeit in Dublinverfahren. “Zwischen Bund und Ländern wird die genaue Abgrenzung, wer für die Prüfung der Vollzugshindernisse zuständig ist, die im Rahmen des Vollzugs am Tag der Abschiebung auftreten, noch genau definiert.”
- Zur Verhinderung einer Wiedereinreise von im Rahmen der Dublin-Verordnung abgeschobenen Asylsuchenden “könnte die Verhängung einer Wiedereinreisesperre … hilfreich sein. Eine entsprechende Neuregelung könnte im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Änderung des Bleiberechtes im Aufenthaltsgesetz geprüft werden.”
- Das BAMF hält es – im Unterschied zu den Bundesländern – nicht für erforderlich, im Bescheid des BAMF auch die Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr in den zuständigen Dublin III – Vertragsstaat zu regeln. Sofern jedoch die Ausländerbehörden die freiwillige Ausreise ermöglichen, “wird dies vom Bundesamt akzeptiert”. Bedingung sei allerdings die Übermittlung einer Grenzübertrittsbescheinigung.
- Zur Sicherung von Dublin-Abschiebungen soll wieder vermehrt Abschiebungshaft verhängt werden. “Es besteht Einigkeit darüber, dass wegen eingeschränkt verfügbarer Rechtsgrundlagen derzeit eine Regelungslücke besteht. Das hierzu laufende Gesetzgebungsverfahren zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung ist abzuwarten.”
- Im Rahmen der Prüfung inländischer Abschiebungshindernisse muss das Bundesamt auf Amtärzte zurückgreifen “und benötigt hierbei die Unterstützung der Ausländerbehörden”. Die Bundesländer verweisen auf begrenzte Kapazitäten und “Gefälligkeitsgutachten”. Vor einem in Erwägung gezogenen Gespräch mit der Bundesärztekammer “sollen die Erkenntnisse aus dem Identifizierungsverfahren vulnerabler Personen mit besonderen Bedürfnissen abgewartet werden, die von den Erstaufnahmeeinrichtuingen durchgeführt werden, die mit Ärzten, Kliniken und sonstigen Einrichtungen zusammen arbeiten.”
- Das BAMF hat Informationen zur Behauptung des Vorliegens “systemischer Mängel” in anderen EU-Mitgliedstaaten zusammengestellt und wird diese “in prägnanter Form” herausgeben und den Bundesländern zur Verfügung stellen.
- Das BAMF hat eine Dienstanweisung vorbereitet, die bei Ablauf der Überstellungsfrist vorzugehen sei: Vor einer materiellen Prüfung des Asylbegehrens solle geklärt werden, ob bereits “Schutz im Drittland” gewährt wurde – dann sei eine erneute Schutzgewährung unzulässig. Darüber hinaus solle geklärt werden, ob bereits ein Asylantrag im Erstaufnahmeland gestellt wurde – dann erfolge eine materielle Prüfung nur, “wenn gemäß § 71a Asylverfahrensgesetz neue Gründe vorliegen”, d.h. der Asylantrag wird in Deutschland als Folgeantrag behandelt.
- Das BAMF verspricht schnellere Vollzugsmitteilungen, “so dass mehrere Überstellungsversuche seitens der Ausländerbehörden innerhalb der Überstellungsfrist vorgenommen werden können”.
- Eine Koordinierung von Abschiebungsbuchungen durch eine zentrale Stelle (Bundespolizei) wird abhängig gemacht vom Bedarf, den die Bundesländer über Niedersachsen an BAMF und Bundespolizei übermitteln.
- Die “länderoffene Arbeitasgruppe zur Asyl- und Flüchtlingspolitik hat sich am 5. November 2014 verständigt, gemeinsam Lösungsansätze zur Verbesserung des Vollzugs … zu entwickeln und empfielt die Einrichtung einer Bund-Länder-Koordinationsstelle (BLK) “Integriertes Rückkehrmanagement”, moderiert vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unter Einbezieghung der Akteure Bundespolizei und Länder.” Offenbar paaren sich hier die Erfahrungen der AG Rück mit Projektierungen aus dem AMIF. Ein erstes Treffen sollte am 17.12. in Nürnberg stattgefunden haben.
Kai Weber
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