Effektiver Flüchtlingsschutz, nicht Abschreckung müsste die Devise lauten.
DIE LINKE steht für eine Politik der Nicht-Diskriminierung, einer frühen Integration und Arbeitsförderung für alle Flüchtlinge und für ein uneingeschränkt geltendes Asylrecht mit fairen Asylverfahren für alle. Die linken Abgeordneten Sabine Zimmermann, Sahra Wagenknecht, Ulla Jelpke und Sevim Dagdelen haben hierzu ein Positionspapier mit dem Schwerpunkt „Flüchtlinge beim Weg in Arbeit unterstützen“ erstellt, das ich zur Information beifüge.
Teil des Gesetzespaktes, das mit anderen Themen im politischen „Deal“ beschlossen werden soll, ist die Einstufung weiterer Westbalkanstaaten als angeblich sichere Herkunftsstaaten. Die vielen Gesetzesverschärfungen, die auf diese Flüchtlingsgruppe abzielen, gehen an den aktuellen Erfordernissen völlig vorbei: Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage von Ulla Jelpke hervorgeht, waren unter den registrierten Asylsuchenden der ersten beiden Septemberwochen gerade einmal etwa 10 Prozent Flüchtlinge vom Westbalkan, 72,5% hingegen kamen aus Kriegs- und Krisenländern, bei denen die Anerkennungsquoten zwischen 80 und 100 Prozent liegen. Effektiver Flüchtlingsschutz, nicht Abschreckung müsste die Devise lauten. Ulla Jelpke kommentiert den rapide gesunkenen Anteil der Westbalkanflüchtlinge:
http://www.ulla-jelpke.de/2015/09/anteil-der-westbalkanfluechtlinge-sinkt/
Die Antwort ist noch aus einem anderen Grund sehr interessant!
Aus ihr geht hervor, dass das ohnehin überforderte BAMF mit der ihr seit dem 1.8.2015 auferlegten Aufgabe der Prüfung und Verhängung von Wiedereinreisesperren zusätzlich stark belastet wird!
Prüfungen wegen möglicher Wiedereinreiseverbote nach einer Ablehnung von Asylsuchenden aus angeblich sicheren Herkunftsstaaten oder wegen wiederholt negativer Folgeanträge – dies betrifft eine relativ kleine Gruppe! – werden jetzt in allen Asylverfahren (bei Anhörungen oder durch schriftliche Anschreiben) vorgenommen, die Betroffenen müssen angehört werden, Gründe, die gegen ein Verbot sprechen oder für eine zeitliche Befristung usw., müssen im Bescheid berücksichtigt werden. In den Fällen, in denen die Anhörung bereits stattfand, aber noch kein Bescheid erlassen wurde, wurden alleine 20.241 Anhörungsschreiben versandt! Seit 1.8. wurden 6.589 Wiedereinreiseverbote verhängt (vor allem gegen Albaner).
Eine Folge dieses aufwändigen Verfahrens ist, dass es im August nur noch 16.769 Asyl-Entscheidungen gab, das waren 6.000 weniger als im Vormonat (22.710)!
Ulla Jelpke hierzu:
„Statt Flüchtlingen so schnell wie möglich Schutz zu gewähren, betreibt das BAMF seit August einen riesigen zusätzlichen bürokratischen Aufwand, um sich die Option der Verhängung von Wiedereinreisesperren offenzuhalten. Ob solche Einreiseverbote den von der Regierung gewünschten Abschreckungseffekt haben, ist völlig unklar. Fest steht hingegen, dass diese fragwürdige Abschreckungsmaßnahme die ohnehin viel zu langen Asylverfahren für alle Flüchtlinge weiter in die Länge ziehen wird. Eine sinnvolle Gesetzesänderung zur Beschleunigung der Asylverfahren im BAMF wäre es deshalb, die neue Vorschrift zu Wiedereinreiseverboten schnell wieder zu kassieren.“
Weil die Zeit zur Zeit so besonders schnelllebig ist, hier eine kleine Erinnerung:
Der ersten Einstufung von drei Westbalkanländern zu „sicheren Herkunftsstaaten“ stimmte das grün-rot regierte Baden-Württemberg mit Billigung der Grünen-Spitze im Bundesrat im deal für einen „Appel und ein Ei“ (Volker Beck, Grüne) zu. Was war noch der Preis? Ach ja, Verkürzung der Residenzpflicht und des Arbeitsverbots, Lockerung des Sachleistungsprinzips. All dies wird nun wieder ausgeweitet, für die Gruppe der Flüchtlinge vom Westbalkan sogar für die gesamte Zeit ihres Aufenthalts.
Dann stimmten die Grünen im Bundesrat einem verfassungswidrigen Asylbewerberleistungsgesetz und einem europarechtswidrigen Freizügigkeitsgesetz zu – so jedenfalls die Einschätzung der grünen Bundestagsfraktion. Der Preis? Die Zusage von zwei mal 500 Mio. € für Länder und Kommunen für 2015 und 2016 – eine Summe die damals schon eingeplant war und von der damals schon klar war, dass sie hinten und vorne nicht reichen würde. Und noch? Einen Prüfauftrag gabs, ob es interessierten Flächenländern ermöglicht werden kann (im Ermessen der Länder, wohlgemerkt, und unter Beibehaltung der diskriminierenden Einschränkung der Gesundheitsversorgung nach dem AsylbLG), eine Gesundheitskarte für Asylsuchende zu ermöglichen…
… und unter anderem damit wird nun auch die dritte grüne Zustimmung im Bundesrat begründet. Dabei ist die Einführung einer Gesundheitskarte bereits nach geltender Gesetzeslage möglich (wenn auch in Flächenländern nur sehr aufwändig), wie die Beispiele Bremen, Hamburg und nun auch NRW zeigen… Was wird es noch geben? Zum Beispiel einen Zugang von Asylsuchenden zu Integrationskursen, aber nur im Rahmen verfügbarer Plätze und nur für die ‚guten‘, mit hoher Bleibeperspektive.
Über den genauen Preis wird heute noch verhandelt.
Mit besten Grüßen
Thomas Hohlfeld
- Dr. Thomas Hohlfeld
- Referent für Migration und Integration
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