„So trägt er die Last des Präzedenzfalls, ist aber zugleich Vorbild.“
Presseerklärung PRO ASYL e.V. /10. September 2015 | Der Menschenrechtspreis der Stiftung PRO ASYL, die PRO ASYL Hand 2015, geht an den US-Deserteur André Shepherd, der sich seit Jahren durch deutsche und europäische Gerichtsinstanzen klagt, um sein Asylrecht durchzusetzen. Ihm liegt daran, dass über seinen Fall hinaus klargestellt wird, dass alle Soldaten, die sich durch Desertion völkerrechtswidrigen Handlungen entziehen, ein Anrecht auf Schutz haben. Sein Engagement und seine Beharrlichkeit würdigt die Stiftung PRO ASYL mit ihrem Menschenrechtspreis. Die Preisverleihung findet am kommenden Samstag, dem 12. September 2015, im Haus am Dom in Frankfurt am Main statt.
André Shepherd entzog sich seinem Dienst in der US-Armee, um nicht nochmals im Irakkrieg eingesetzt zu werden. Davor war er ab 2004 als Mechaniker für Kampfhubschrauber dort eingesetzt. Nach dem Einsatz seiner Einheit an den Standort in Deutschland zurückgekehrt, setzte er sich intensiv mit dem Krieg im Irak und insbesondere dem Vorgehen gegen die dortige Zivilbevölkerung auseinander. Als Shepherd erneut in das Kriegsgebiet abkommandiert werden sollte, zog er die Konsequenzen aus seinen Erkenntnissen und desertierte. In den USA hätte ihm ein Verfahren und die Verurteilung als Deserteur gedroht. Im November 2008 beantragte André Shepherd daher Asyl in Deutschland.
In seinem Asylverfahren beruft er sich auf eine EU-Richtlinie, mit der Personen geschützt werden sollen, die sich völkerrechtswidrigen Kriegen oder Handlungen entziehen und deswegen mit Verfolgung rechnen müssen. Nach Shepherds Überzeugung war der Krieg, den die Vereinigten Staaten gegen den Irak führten, völkerrechtswidrig – ganz abgesehen von der großen Zahl von Menschen, die ihm zum Opfer fielen oder bis heute unter den Kriegsfolgen leiden. André Shepherds Credo: Unter diesen Umständen müssten auch einfache Soldaten Rechenschaft für ihre Handlungen ablegen. Gegen den in Deutschland vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnten Asylantrag klagt Shepherd seit 2011. Er begründete dies öffentlich: „Ich bin nach wie vor nicht bereit, mich an einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu beteiligen und halte es für mein Recht, dies ohne Strafandrohung zu verweigern.“
Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes im Frühjahr 2015, das viele Fragen offen ließ, wird das Verfahren aktuell beim Verwaltungsgericht München weiter geführt. André Shepherd wird seit vielen Jahren von Connection e.V., einer Hilfsorganisation für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure, begleitet. Der Förderverein PRO ASYL e.V. unterstützt das Verfahren aus seinem Rechtshilfefonds.
André Shepherd hat mit seiner Entscheidung seine bürgerliche Existenz in den USA aufs Spiel gesetzt. Obwohl er inzwischen aus anderen Gründen aufenthaltsrechtlich in Deutschland gesichert ist, kämpft er weiter für seine Überzeugung: Menschen, die sich völkerrechtswidrigen Kriegen oder Handlungen entziehen, haben ein Recht auf Schutz. So trägt er die Last des Präzedenzfalls, ist aber zugleich Vorbild. Ein asylrechtlicher Schutz für den Deserteur wäre international von großer Bedeutung. Eine Asylanerkennung in Deutschland, wäre sie bereits vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausgesprochen worden, wäre natürlich auch ein Verdikt über den Irakkrieg und die Coalition of the Willing gewesen, die ihn zu verantworten und damit zur Destabilisierung der Situation im gesamten Nahen Osten beigetragen hat.
Die Ehrung für André Shepherd ist deshalb ein ermutigendes Signal an diejenigen, die in einer vergleichbaren Situation ihrem Gewissen folgen. Sie schließt aber auch das Gedenken an die hunderttausende seither in völkerrechtswidrigen Kriegen getöteten, verletzten und aus ihrer Heimat in die Flucht geschlagenen Menschen ein, von denen es nur einem Teil gelingt, ein rettendes Ufer zu erreichen.