Stellungnahme der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh
Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh geht nach wie vor und insbesondere vor dem Hintergrund der Ergebnisse justizunabhängiger Gutachten (Zweitautopsie 2005, Brandgutachten 2013 und Expertise der vorhandenen Aktenlage 2015) davon aus, dass Oury Jalloh am 7. Januar 2005 von dritter Hand – also mindestens in Mittäterschaft von Polizeibeamten des Dessauer Polizeireviers – angezündet und verbrannt worden sein muss.
Auch gehen die Dimensionen des Falles weit über den ungeheuerlichen Umstand seiner Verbrennung in dieser Polizeizelle in Dessau hinaus – er steht nicht nur für straffreie exekutive Polizeigewalt, sondern auch für strukturell rassistisch diskriminierende Asylgesetzgebung und Polizeigesetze, für eine gesetzlich nicht verfasste, aber trotzdem alle Instanzen des sog. Rechtsstaates durchziehende Staatsräson zur Vertuschung, Manipulation und Strafvereitelung von Verbrechen durch Beamte des Staates sowie für die systematische Willkür durch juristische Repression von zivilgesellschaftlichem Engagement zur Aufklärung und öffentlichen Skandalisierung solcherlei Zustände. Der Kreis aus systematisch diskriminierender Gewalt und systematischer Strafvereitelung und Rechtsbeugung war und ist ein Teufelskreis aus rassistischem Überlegenheitsdünkel und machtbesessener Ignoranz gegenüber deren tödlichen Folgen.
Die Kette der Verbrechen im Fall Oury Jalloh ist lang und wird immer länger, weil ein Verbrechen und dessen Vertuschung immer weitere Straftaten nach sich ziehen. So wurde Oury Jalloh an jenem 7. Januar 2005 nicht „nur“ verbrannt – die Ermittlungsbehörden wurden unmittelbar und noch vor Beginn der eigentlichen Tatortarbeit ein- und angewiesen, dass sich Oury Jalloh selbst angezündet haben soll. Nach diesem klassischen Schema der Täter-Opfer-Umkehr wurden die Ermittlungen systematisch manipuliert und auf nur die eine Hypothese von der „Selbstentzündung“ eingegrenzt. Beweismittel wurden vernichtet bzw. gar nicht erst erhoben, ergebnisoffene Ermittlungsansätze konsequent ignoriert und so die ohnehin nur durch öffentlichen Druck und eine zweite, spendenfinanzierte Autopsie erzwungene Anklage von vornherein auf „fahrlässige Unterlassung“ eingeschränkt. Ein (tatnotwendiges!) Feuerzeug wurde aktiv zu den Asservaten hinzumanipuliert, völlig sach- und tatortfremde Versuchsanordnungen konstruiert und gutachterliche Aussagen immer wieder willkürlich und einseitig interpretiert.
Der Rechtsstaat hat wieder einmal nicht nur versagt, sondern Aufklärung und strafrechtliche Sanktionierung aktiv verhindert! Die zuständige Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau hat sich nicht nur in der Vergangenheit als Ermittlungsbehörde selbst disqualifiziert, sondern verhindert auch heute noch aktiv die zukünftigen Untersuchungen im Fall Oury Jalloh. Anträge der Nebenklage zur Durchführung von sachbezogenen Brandversuchen in der seit damals nicht mehr genutzten Zelle Nr. 5 des Dessauer Polizeireviers werden konsequent nicht beachtet und die Zuarbeit bei deren unabhängigen Gutachten immer wieder verschleppt und boykottiert. Zwei Jahre nach der Vorstellung des Brandgutachtens des Thermophysikers und Brandsachverständigen Maksim Smirnou aus Irland, kann sie keinerlei Ergebnisse zu den darin enthaltenen „…sehr ernste(n) Informationen, sehr überraschende(n) Informationen, zum Teil erschreckende(n) Informationen…“ (LOStA Folker Bittmann am 12.11.2013) präsentieren.
Im Gegensatz dazu sind alle bisherigen Erkenntnisse, die gegen die zwanghaft suggerierte Hypothese der „Selbstentzündung“ Oury Jallohs stehen erst durch die Arbeit der Initiative ans Licht der Öffentlichkeit getragen worden. Die Initiative hat in einem weiteren Schritt bereits im Frühjahr 2014 renommierte, von den deutschen Behörden unabhängige Brandsachverständige, Toxikologen und Gerichtsmediziner u.a. auch zur Beantwortung der sich aus dem ersten Brandgutachten ergebenden Fragestellungen beauftragt, die bisher vorliegende Aktenlage von Gerichten, Staatsanwaltschaft und selbst veranlassten Gutachten (Zweit-Autopsie und Brandgutachten) zu sichten, auszuwerten und zu beurteilen. Neben der kritischen Würdigung gutachterlicher Bewertungen und deren Interpretationen in den vorliegenden Ermittlungsakten werden die Gutachter*innen auf einer Pressekonferenz am 27. Oktober 2015 im Berliner Haus der Demokratie und Menschenrechte „brennende“ Fragen zum offensichtlich nachträglich manipulierten Feuerzeug, zum Brandbild und möglichen Brandbeschleunigerspuren beantworten sowie die für Brandleichen sehr untypischen Laborbefunde wie fehlendes Kohlenmonoxid und unauffällige Stresshormonspiegel in das Gesamtbild des Falles einordnen.
Weil die eigentlich vorgesehenen rechtsstaatlichen Ermittlungsbehörden eine Aufklärung der Todesumstände mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln und Möglichkeiten zu verhindern sucht, hat die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh diese Aufklärung mit Hilfe zahlreicher Unterstützer*innen und Spender*innen selbst in die Hand genommen. Wir danken an dieser Stelle all jenen Menschen, die diese notwendige Aufklärungsarbeit aktiv finanziell und gegen das staatlich verordnete Vertuschen und Vergessen unterstützt haben und auch weiterhin tun.
Initiative in Gedenken an Oury Jalloh
https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/ Mail:
initiative-ouryjalloh@so36.net
Mobil [de-fr]: +49-152-10 836 914
Mobil [de-en]: +49-176-99 621 504