Das ultimative Roll Back in der Ägäis?
Liebe Freundinnen und Freunde,
4. April 2016: im Schnellverfahren startet der sog. Türkei-Deal. Über 200 Geflüchtete werden von den griechischen Inseln Lesbos und Chios in die Türkei zurückgeschoben. Von Frontex durchgesetzt, massenmedial als exemplarische Aktion inszeniert. Der offene Bruch der Genfer Flüchtlingskonvention egal, Abschreckung um jeden Preis. Nach der Schließung der Balkanroute nun die massenhaften direkten Rückschiebungen? Das ultimative Roll Back in der Ägäis?
So hätten sie es gerne und die antirassistische Bewegung sollte sich hüten, die demonstrative Macht des Grenzregime zu reproduzieren. Der 4.4. markiert zweifellos einen Einschnitt und steht für den brutalen Versuch, die Dynamik der Fluchtbewegungen mit allen Mitteln zu brechen. Doch die Alltagskämpfe werden über die soziale Realität der kommenden Zeit entscheiden. So war es in den letzten Jahren, auch die bislang großartigsten Erfolge im Kampf um Bewegungsfreiheit im Sommer und Herbst 2015 waren das Resultat der Hartnäckigkeit der sozialen Bewegungen der Flucht und Migration.
Seit vielen Jahren – und auch im „Rekordjahr“ 2015 – ist der Oktober der Monat, in dem die meisten Menschen auf den griechischen Inseln ankommen. Das sind noch sieben Monate hin. Sieben Monate also mindestens, in denen Solidarität und gemeinsamer Kampf für ein anderes, offenes Europa mehr denn je gefragt sind. Und in denen sich zeigen wird, ob und wieweit es den Herrschenden gelingt, dauerhafter ihr neues rassistisches Regime der Migrationskontrolle zu stabilisieren.
Der EU-Türkei Pakt wurde mit heißer Nadel gestrickt, ob und wie lange er hält, ist schon mit zahlreichen Fragezeichen versehen. Ein neuer Durchbruch entlang der Balkangrenzen ist zur Zeit zwar nicht zu erwarten und würde absehbar mit militärischer Gewalt abgeblockt. Doch der potentielle Widerstand der Flucht- und Migrationsbewegungen bleibt nachhaltig stark, quer durch Griechenland in umkämpften Räumen. Im Camp in Idomeni und bei Blockaden auf der Autobahn nach Mazedonien, in den Dutzenden neuen Lagern auf dem Festland sowie bei Protesten auf den Inseln Lesbos oder Chios, bei Demos auf den Strassen und in neu besetzten Häusern von Athen und Thessaloniki: „Open the borders“ ist überall der vieltausendfach gerufene Slogan, dessen Echo in den kommenden Wochen und Monaten Europa in Bewegung halten wird.
Das Noborder Camp in Thessaloniki vom 15. bis 24. Juli (siehe unten) könnte insofern – als Verstärker und Katalysator – genau zum richtigen Zeitpunkt kommen.
Mit solidarischen Grüßen,
das Kompass-Team