Wir fordern eine Debatte über den strukturell gewaltförmigen Prozess der Migrationssteuerung
Pressemitteilung 23.05.2016 | Aktion Bleiberecht Freiburg: Am 17. Mai 2016 erkundigt sich ein Flüchtling, der seit etwa vier Jahren in der Bissierstraße wohnt, beim Hausmeister, ob er von der Sammelunterkunft abgemeldet wurde. Der Hausmeister bittet ihn zu warten. Kurz darauf erreichen zwei Polizeifahrzeuge die Sammelunterkunft in der Bissierstraße. Die dortige Security öffnet das seit einigen Wochen installierte Tor und lässt die Polizeifahrzeuge in das Innere des Geländes fahren. Um das Gelände wurde seit einigen Wochen, trotz der Kritik zahlreicher BewohnerInnen, ein Zaun gebaut. Seitdem gibt es Ein- bzw. Ausgangskontrollen. Der Betroffene konnte gerade noch rechtzeitig die Bissierstraße durch das sich schließende Tor verlassen. Die Security versuchte ihn festzuhalten, er konnte sich befreien.
Dieser Vorgang wirft viele Fragen auf. Hier kämpft ein junger Flüchtling seit Jahren für sein Aufenthaltsrecht, das ihm durch die restriktiven Sondergesetze permanent verweigert wird. Das macht ihn vogelfrei.
Weiterhin zeigt dieser Vorgang, wie die politische Rede von der „Migrationssteuerung“ und „Migrationskontrolle“ in der Realität mit einem hohen Maß an legalem Zwang, legalen Eingriffen in die persönliche Freiheit der Geflüchteten und legaler Gewalt verbunden ist. Ob es sich nun um Abschiebungen, Überstellungen und polizeiliche Kontrollen oder Durchsetzung von Wohnsitzauflagen in den Lagern oder um die Abschiebehaft handelt. Die mit der Verwaltung der MigrantInnen beschäftigten Behörden setzen jeden Tag diskriminierende, ausschließende Sondergesetze um. Durch diese Institutionen, darunter die Polizei, werden Erniedrigung, Zwang, Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte und Gewalt ausgeübt. Das schafft ein Klima der Gewalt gegen Geflüchtete und Einwanderer.
Und wie man im aktuellen Fall sieht, ist nicht nur das Regierungspräsidium Karlsruhe, sondern auch Freiburger Behörden, die Polizei, die Wohnheimverwaltung, der Hausmeister und der Sicherheitsdienst in den gesamten Gewalt-Prozess eingebunden. Zusätzlich ist es höchst fragwürdig, wenn Hausmeister und Sicherheitsdienste polizeiliche Aufgaben wahrnehmen. Auch der Zaun, der scheinbar zum Schutz der Menschen um das Massenlager errichtet wurde, in dem selbst strukturelle Gewalt wie Wohnsitzauflage, Wohnfläche von 4,5qm pro Person, Wohnheimordnung, Aufenthaltskontrolle etc. durchgesetzt wird, wird im Fall einer Abschiebung zur Falle für die Betroffenen. So stellt der Zaun selbst auch eine Form von Gewalt dar.
Diese institutionelle Praxis macht den anderen Menschen als ungleich sichtbar und rechtfertigt seine gesonderte rechtliche und soziale Stellung in der Gesellschaft. Die hergestellte Normalität von Ungleichheit ist ein Steuerungselement der Migration. Menschen werden als ungleich markiert und als Auszuschließende verwaltet. Darauf können rassistische Einstellungen gründen.
Glücklicherweise ist am Freitag ein weiterer Abschiebeversuch an einem anderen Ort ebenfalls ins Leere gelaufen.
Wir von Aktion Bleiberecht Freiburg verurteilen jede legale Gewalt gegen Geflüchtete!
Wir fordern ein Mitsprache- und Entscheidungsrecht der BewohnerInnen in den Sammelunterkünften! Wir fordern eine öffentliche Debatte über die „scheinbare“ Normalität der Ungleichheit, die sich immer selbstverständlicher auf alle Organe der Migrationsverwaltung sowie auf die Polizei übertragen hat. Wir fordern eine Debatte über den strukturell gewaltförmigen Prozess der Migrationssteuerung, in dem zahlreiche Behörden eingebunden sind.
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