Über Abschiebehaft, Rassismus und was wir dagegen tun können! Solidarity City als Antwort!
Wo bitte, besteht der Unterschied?
(Artikel zum drucken) Wenn die AfD und NPD den Ausbau der Abschiebehaft fordern1, Sascha Binder (SPD) in einer Landtagsdebatte2 in Baden-Württemberg ebenfalls dafür eintritt und die GRÜNEN in Baden-Württemberg das „Abschiebemanagement“3 „verbessern und optimieren“ wollen, wo bitte liegt hier der Unterschied. Wenn der Staatsanzeiger von Baden-Württemberg berichtet, dass der „Vollzug der Abschiebehaft einstimmig beschlossen“4 wurde und die FDP Baden-Württemberg die Einrichtung von Abschiebegefängnissen in allen Bundesländern5 fordert und wenn Innenminister Strobl (CDU) 2016 in der Welt6 vorgibt: „Die Möglichkeit der Abschiebehaft soll ausgeweitet werden“, zeigt sich, dass sie sich in ihrem Rassismus alle einig sind.
Es gibt keinen Grund für Rassismus und Abschiebehaft
Flucht ist ohne Zweifel für die Betroffenen, wie auch für jedes Aufnahmeland eine Herausforderung. Den Herausforderungen müssen wir uns stellen. Zehntausende Ehrenamtliche haben es getan, bis ihr Engagement und das von Flüchtlingsinitiativen, Beratungsstellen, Anwälten, Kirchen und Ärzten als ‚Anti-Abschiebe-Industie‘ diffamiert, durch Gesetze und eine staatliche Verwaltungspraxis unterlaufen wurde. Gleichzeitig mit der Diffamierung des solidarischen Engagement wurden in den letzten 5 Jahren zahlreiche Gesetze im Eiltempo durch den Bundestag und Bundesrat gepeitscht mit denen die Rechte der Geflüchteten immer mehr angegriffen und eingeschränkt wurden. Wenn man dachte es geht nicht schlimmer, kam es schlimmer. Die offizielle Politik setzt auf Ausgrenzung und Rassismus. Angriffe gegen die Gerechtigkeit, die wir bereits aus den 90er Jahren kennen, als sich die parlamentarischen Parteien das erste mal mit einer Grundgesetzänderung und damit mit einem massiven Abbau von Grund- und Menschenrechte für Geflüchtete, auf die Seite der Rassisten geschlagen haben. Ein Angriff, der auch deshalb funktioniert, weil große Teile der Bevölkerung mittlerweile die vierzig-jährige staatliche Kampagne gegen „Asylanten“ (und Migrant*innen) verinnerlicht und zu ihrer ‚deutschen nationalen engstirnigen Kultur‘ gemacht haben. Der potentielle Rassismus in diesem Land ist tief verwurzelt und jederzeit abrufbar. Die Institutionen der Ausgrenzung (Sammellager, Abschiebegefängnisse, Anker-Zentren, Ausländerbehörden) sind gesellschaftlich anerkannt. Eine gefährliche Spaltung zwischen „Inländern“ und „Ausländern“ wird durch eine tägliche Berichterstattung, Diskussionen, Kommentare, Fake-News gepflegt und ist mittlerweile überall sicht- und hörbar. Aktuell wird das in Sachsen und Brandenburg durch die vom Nationalismus besoffenen Ostdeutschen sehr deutlich. Aber, auch in Baden-Württemberg ist dies möglich. Baden-Württemberg, ein Bundesland, das bei der Ausgrenzung von Geflüchteten immer vorne mit dabei war.
Tatsächlich gibt es absolut keinen Grund mit Restriktionen und Rassismus auf weltweite Probleme zu reagieren. Schon dann nicht, wenn Menschen in Not und die Flüchtlingszahlen hoch sind. Die Welt ist durch die Globalisierung kleiner und die Ungerechtigkeiten in der Welt sind größer geworden. Die Migrationsbewegung hat sich durch die Globalisierung beschleunigt und sie ist weiblicher geworden. Aktuell zählt der UNHCR über 60 Millionen Geflüchtete, die wenigsten von ihnen kommen in Europa an. Nun aber geht es um soziale Ausgleiche, um soziale Kämpfe und um Veränderungen hier und dort. In einer globalisierten Welt sind die sozialen Herausforderungen der anderen, die unseren. Für Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich müssen wir weltweit zusammen kämpfen. In jedem Land muss dafür Verantwortung und Verpflichtung übernommen werden. Die Menschen in einem weltweit agierenden hochindustriealisierten Land haben dabei eine besondere Verantwortung, sich entschlossen gegen Ausbeutung, Unterdrückung, Krieg und gegen jeden Rassismus zu positionieren. Nur so kann Gerechtigkeit in der Welt sich durchsetzen, und diese fängt vor allem zuerst im Innern des eigenen Landes an.
Die Parteien bevorzugen den Weg der weiteren Spaltung
Nun ist es ohne Zweifel so, dass alle Parteien die Abschiebehaft und Abschiebungen bejahen und sämtlichen Gesetzesänderungen der letzten 5 Jahren, die zum weiteren massiven Abbau von Flüchtlings- und Aufenthaltsrechten führten, zugestimmt haben. Damit haben alle Parteien erneut Konzessionen gegenüber einem mit (rassistischen) Vorurteilen aufgeladenen Teil der Bevölkerung gemacht. Diesmal sind sie jedoch zu weit gegangen. Denn ihre Politik wird nicht ohne Folgen bleiben. Ihre nationale Politik erweckt den Eindruck als stellen sie regionale Menschenrechtskonventionen, die allgemeine Erklärung der Menschenrechte, internationale Abkommen und das Asylrecht selbst zur Disposition. Das wird zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft führen, Rassisten ermutigen und es wird zu noch mehr Unfrieden in diesem Land kommen. Die Angriffe gegen geflüchtete Menschen, das rassistische Wissen7 und der Rassismus selbst werden zunehmen. Darauf müssen wir uns einstellen. Nicht nur im Osten!
Parteien sind keine Bündnispartnerinnen
Wer in der Flüchtlingsarbeit aktiv ist, weiß, dass die Parteien längst keine Bündnispartnerinnen mehr sind. Und wir wissen auch, dass über die Parlamente nichts zu erreichen ist. Dies gilt nicht nur für die Flüchtlingsfrage. Die CDU/CSU, die SPD, die FDP, große Teile der GRÜNEN und aber auch Teile von DIE LINKE vertreten keinen gerechten Standpunkt in der Flüchtlingspolitik. Sie verweigern sich den politischen Herausforderungen und der weltweiten Fluchtbewegung. Dies, obwohl die Bundesrepublik Deutschland selbst Teil zahlreicher Probleme in der Welt ist. Sie ziehen keine Konsequenzen aus klar erkennbaren Zusammenhängen die zur Flucht, Verfolgung und Armut führen. Damit geht es Ihnen auch nicht um die Menschen im allgemeinen, nicht wirklich um Gerechtigkeit.
Ihre Politik spaltet und sie verfallen immer wieder in ihre rassistischen Ressentiments. Damit verfestigen sie ihre kontinuierlichen Trennlinien, die sie in einer komplexen Ausländer- und Asylgesetzgebung verpackt haben. Teilweise ausgrenzende, rassistische Gesetze die speziell nur gegen Geflüchtete und Migrant*innen gerichtet sind, sind das Ergebnis langjähriger parlamentarischer Parteipolitik. Damit wird erforlgreich die Spaltung zwischen ‚Wir‘ und ‚Die‘ aufrecht erhalten und damit insbesondere geflüchtete Menschen gegen ‚Alteingesessene‘ ausgespielt. Dies, obwohl dieses Land in den letzten 20 bis 25 Jahre keine nennenswerten hohe Zahlen von Geflüchteten aufnehmen musste.
Ein deutscher Nationalist ist ihnen wichtiger, als Menschen, die monatelang unterwegs waren, um Krieg und Elend zu entkommen. Und, es interessiert bei ihren Abschiebungen auch nicht, wie lange Menschen hier leben, ob sie Arbeit haben, kurz vor einer Ausbildung stehen, ob sie krank sind oder ob den Menschen in dem Land in das sie abgeschoben werden, Obdachlosigkeit droht. Ihre ‚Ausländer raus‘ – Politik wurde mit dem neuen Seehofer Gesetzespaket durch eine verstärkte Knast- und Lagerpolitik ergänzt, die immer mehr geflüchtete Menschen kriminalisieren wird. So machen sie sich unschuldige Menschen zu ihren Kriminellen, worauf sie dann in der Öffentlichkeit mit ihren rassistischen Fingern zeigen können. Mit welchen Lügen und welcher Propaganda sie das machen, haben wir erlebt, als Geflüchtete in Ellwangen gegen eine Abschiebung protestierten.
Parteimitglieder und andere werden auf die Möglichkeit der Deutschkurse, Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung, den Zugang zum Arbeitsmarkt, auf die Regelung nach langjährigem Aufenthalt und den subsidiären Schutz hinweisen. Dazu ist festzustellen: Wer die deutsche Sprache beherrscht und in Arbeit ist, ist nicht automatisch von einer Abschiebung geschützt. Wer sich in eine Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung begibt, muss funktionieren, denn der Aufenthalt ist an die Ausbildung und Arbeit gekoppelt. Im Hintergrund stehen dazu zahlreiche Restriktionen und eine permanente Angst nicht richtig zu ‚funktionieren‘. Niemand fühlt sich wirklich frei. Wer lange Jahre hier lebt und es dennoch aus verschiedenen Gründen nicht geschafft hat für sich selbst zu sorgen, wird abgeschoben. Der neoliberale Geist durchzieht mittlerweile die gesamte Asyl- und Aufenthaltsgesetzgebung. Aus Erfahrung wissen wir, dass sich diese neoliberalen „Freiheiten“ mit der nächsten Wirtschaftskrise auch wieder ändern werden. Und der subsidiäre Schutz für syrische Geflüchtete gilt auch nur solange, solange die Parteien hier der Meinung sind, Syrien stelle eine Gefahr für eine Rückkehr der Geflüchteten dar. Wir erinnern uns an das Leid und die Kämpfe bosnischer Geflüchteter, die zur Rückkehr gezwungen, zwangsweise abgeschoben wurden und in andere Länder weiter geflüchtet sind.
Vorsicht Rassisten in allen Parteien! Kein Millimeter weiter!
Unser Ziel: Solidarity Cities!
Menschen die sich ehrenamtlich für einen sozialen Ausgleich, für Menschenrechte und auch gegen Abschiebungen engagieren, sollten Parteien vergessen. Sie sind ein Hindernis und nicht frei von Entscheidungen. Wir müssen die aktuellen Herausforderungen eines parteiübergreifenden Rassismus annehmen und bekämpfen. Dazu brauchen wir eine entschlossene, radikale und parteiunabhängige Menschenrechtsbewegung. Jede Gruppe, Initiative und politischer Zusammenhang, jede*r Gewerkschafter*in, Engagierte in verschiedenen Bereichen mit all eurem antirassistischen Wissen, Geflüchtete und Migrant*innen, Menschen die täglich Rassismus erleben und viele die nicht genannt wurden, lasst uns ein entschlossenes Bündnis außerhalb jeder Parteien etablieren. Alle fortschrittlichen Menschen in den Parteien sollten ihr Parteibuch zurückgeben. Investiert eure Zeit und Energie in eine entschlossene und radikale Menschenrechtsbewegung. Hinterfragt den ‚deutschen Zustand!‘
Solidarity City als Antwort
Da die Parteien und die Parlamente sich dem Rassismus nicht entschlossen entgegen stellen, sondern diesen noch befördern, liegt es an uns allen den Rassismus in den Städten und auf dem Land zu stoppen. Dafür bietet sich die Idee der Solidarity-Cities an. In den Städten sind wir zu Hause, dort kennen wir uns aus, dort wird die tägliche Solidarität gelebt und dort haben wir unsere Ressourcen. Und dazu gibt es bereits bundesweit politische Ansätze. Schließt euch der Bewegung der Solidarity-Cities an und bildet Initiativen. Jede Initiative, ob Frauengruppe, Musik-Band oder Kulturgruppe, Selbstorganisierte Geflüchtete und Migrant*innen und alle, die entschlossen gegen jede Form rassistischer Ausgrenzung aktiv sind und aktiv werden wollen, können Teil einer Solidarity City Bewegung werden. Schließt euch dem bundesweiten Netzwerk der Solidarity Cities8 an. Lasst uns gemeinsam diskutieren, beraten, beschließen und in einer trans-kommunalen Bewegung aktiv werden. Stoppen wir den nationalistischen und rassistischen Irrweg! Entschlossen gegen jede Form von Ausgrenzung! Unsere Stärke liegt in der Vielfalt und unserer Solidarität!
- W. Schlecht
- Aktion Bleiberecht Freiburg
- Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung
1https://www.merkur.de/politik/wahl-o-mat-check-vor-sachsen-wahl-afd-und-npd-im-vergleich-zr-12901439.html
2https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP16/Plp/16_0085_20022019.pdf S.5124
3https://www.gruene-landtag-bw.de/fileadmin/bawue/user_upload/Gruene-Ideen-fuer-mehr-Sicherheit_13-11-2018.pdf
4https://www.staatsanzeiger.de/staatsanzeiger/nachricht/artikel/vollzug-der-abschiebehaft-einstimmig-beschlossen/
6https://www.welt.de/politik/deutschland/article159785793/Drastische-CDU-Plaene-zur-Abschiebung-von-Fluechtlingen.html
7Fake-News, Lügen, Vorurteile, Gerüchte, Verschwörungstheorien etc.
8https://solidarity-city.eu/de/