Stellungnahme zur Verhandlung wegen Zimmerkontrolle in Landeserstaufnahmeeinrichtung Freiburg
21.01.2020 | Am vergangenen Donnerstag fand ein Prozess gegen einen ehemaligen Bewohner der Landeserstaufnahmeeinrichtung Freiburg statt. Ihm wurde tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte im Zusammenhang mit einem Zwischenfall bei einer „routinemäßigen“ Zimmerkontrolle im Lager zur Last gelegt. Die „täglichen Kontrollen“ (Auszug aus dem Strafbefehl) finden laut dem zuständigen Regierungspräsidium statt, um die Bewohner*innen hinsichtlich Brandschutz und Sauberkeit zu sensibilisieren. Zudem soll sich die Polizei bei den Bewohner*innen „bekannt machen“. Im Herbst 2018 eskalierte eine solche Kontrolle als die Kontrolleure den Ausweis des Angeklagten sehen wollten. Am Ende befand sich der Angeklagte allein mit fünf Verantwortlichen, darunter zwei Polizist*innen, in seinem Privatzimmer eingeschlossen. Die Verhandlung am vergangenen Donnerstag endete mit einer Vertagung der Verhandlung für eine Prüfung der Schuldfähigkeit des Betroffenen.
Die Anhörung im Gericht fand auf respektlose Weise statt. Nicht nur war offensichtlich, dass der Angeklagte die vereidigte Dolmetscherin in ihrem schnellen Sprechtempo oftmals nicht verstand, sie übersetzte zudem lücken- und fehlerhaft. Des Weiteren äußerte die Richterin, deren persönliches Urteil über die psychische Verfasstheit des Betroffenen schnell gefällt war, diese Feststellung in aller Offenheit. Während einer kurzen Unterbrechung der Verhandlung eröffnete die Richterin in Abwesenheit des Betroffenen eine Fragerunde für die Zuschauenden, was sie „eigentlich nur mit Schulklassen mache“. Der Gegenstand der Verhandlung wurde so lapidar dem Amüsement von Hobby-Jurist*innen preisgegeben. Dagegen bedeutet das Urteil für den Betroffenen bitteren Ernst, da ab einem Strafmaß von 51 Tagessätzen die Chance auf eine Ausbildungsduldung verfällt. Dies verdeutlicht die prekäre Situation des Angeklagten: Bereits ein geringes Strafmaß führt dazu, dass Bleibeperspektiven verunmöglicht werden.
Die Unrechtmäßigkeit der Kontrolle wurde aufgrund der Vertagung nicht thematisiert. Angesprochen auf den prinzipiellen Widerspruch von „täglichen Kontrollen“ und dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung antwortete die Richterin, dass es immer wieder Menschen gebe, denen bestimmte Gesetze nicht gefallen. „Gesetz ist eben Gesetz und das funktioniere in Deutschland vergleichsweise immer noch gut“, so die persönliche Meinung der Richterin. Die regelmäßige Missachtung von Grundrechten in den Lagern wird durch solche Aussagen bagatellisiert. Rechtsstaatlichkeit bedeutet damit, dass Grundrechte nur für bestimmte Privilegierte gelten. Dass im Lager gleichzeitig Rechtstaatskurse für die Bewohner*innen angeboten werden und medial stets eine Einhaltung des sog. Rechtsstaats eingefordert wird, ist angesichts solcher gewaltvollen Vorfälle blanker Zynismus.
Der Vorfall, der zur Verhandlung stand, wurde aus der Logik der Institution der Landeserstaufnahmeeinrichtung selbst erzeugt. Tägliche Zimmerkontrollen, Verletzung der Privatsphäre, unbegründete Polizeipräsenz, Isolation fern von zivilgesellschaftlicher Kontrolle – all dies schafft undurchsichtige Situationen wie diese, in der die Polizei willkürlich handeln und jeglicher „Widerstand“ gegen diese hart bestraft werden kann. Die Bewohner*innen sind einem permanenten psychischen Druck ausgesetzt. Ein Leben im Lager ist ein Leben unter enorm belastenden Bedingungen. Diese Einzelfälle verdeutlichen, wie die Logik des Lagers systematisch Gewalt erzeugt und der Willkür die Tore öffnet. Leidtragende sind einmal mehr die Bewohner*innen, die an diesen Nicht-Orten mittlerweile bis zu 18 Monate lang untergebracht werden.
Wir solidarisieren uns mit dem Betroffenen!
LEA Watch Freiburg & Aktion Bleiberecht Freiburg