Was für eine „Sicherheit“ ist das also, die in der LEA hergestellt werden soll?
Walter Schlecht, Zeitung ‚Gefährliches Pflaster‘ | Seit 2016 existiert in Freiburg eine Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) für die Aufnahme und Registrierung geflüchteter Menschen. Der Gemeinderat der Stadt Freiburg hat der Einrichtung, in der bis zu 800 Menschen untergebracht werden können, mehrheitlich zugestimmt und sich gleichzeitig der Verantwortung einer kommunalen Flüchtlingsaufnahme entzogen.
Bei der Einrichtung handelt es sich um eine Institution, in der alle Lebensäußerungen der dort wohnenden Menschen bestimmt, geregelt und kontrolliert werden. Festgelegt ist dies in einer Hausordnung und dem Vertrag, der zwischen dem Regierungspräsidium Freiburg und dem Betreiber der Einrichtung, European Homecare, vereinbart wurde.
Die Geflüchteten, die in der Einrichtung leben, unterliegen einer Wohnsitzauflage und der Residenzpflicht. Wer sich in einem Asylverfahren befindet oder eine Duldung hat, darf nicht außerhalb der Einrichtung wohnen und ohne Genehmigung die Stadt Freiburg nicht verlassen. Wer länger als sieben Tage abwesend ist, verliert die Berechtigung, in der Einrichtung zu leben, und sämtliche sozialen Ansprüche. Über die Abwesenheit wird die Polizei informiert.
Die Bewohner* innen der Einrichtung sind einer zentralen Autorität, dem Regierungspräsidium als Vertreter des Landes auf Bezirksebene, unterworfen. Die Anordnungen des Sicherheitsdienstes und des Dienstleisters für die Alltagsbetreuung müssen befolgt werden. So muss jede* r Bewohner*in beim Betreten und Verlassen ein „Zutrittsdokument“ vorlegen. Damit wird die An- bzw. Abwesenheit festgestellt. Beim Betreten, aber auch auf dem Gelände darf der Sicherheitsdienst die Bewohner*innen nach Gegenständen durchsuchen (zum Beispiel durch Taschenkontrollen). Vom Taschenmesser, Friseurscheren, Wandspiegel, Wasserkocher, Alkohol – bis hin zum Teppich, alles ist verboten. Die Menschen unterliegen ständiger Beobachtung.
Was gegessen wird, bestimmt der Dienstleister des Caterings. Die Mahlzeiten dürfen grundsätzlich nur in der „Versorgungshalle“ zu bestimmten Uhrzeiten eingenommen werden. Die Zimmer der Bewohner*innen werden täglich kontrolliert. Die Einrichtungsleitung und deren Beauftragte dürfen die Zimmer der Bewohner*innen nach Aufforderung oder zu vorher angekündigten Terminen betreten. Dies ist auch im Fall der Abwesenheit möglich, so die Hausordnung, die seit dem 1. Januar 2020 gültig ist.
Aus „Sicherheitsgründen“, so das Regierungspräsidium, ist der freie Zugang von Besucher*innen zu den Bewohner*innen der Einrichtung nicht erlaubt. Neben dem Genannten existieren noch weitere Auflagen und Verbote. Um die Einrichtung aufrechtzuerhalten, sollen die Bewohner*innen Arbeiten übernehmen, die mit 80 Cent pro Stunde vergütet werden. Wer eine Arbeitsgelegenheit verweigert, wird sanktioniert. Bei all diesen Einschränkungen, Verboten, Reglementierungen und Kontrollen wird auf die Sicherheit und Ordnung verwiesen. Zur Rechtfertigung werden unter anderem der Brandschutz, die Sauberkeit, die Hygiene und die Gesundheit angeführt. Um die „Sicherheit und Ordnung“ durchzusetzen, wurde eine eigene Polizeistation im Massenlager etabliert.
Geflüchtete müssen nach aktueller Gesetzgebung bis zu 18 Monate (verlängerbar auf 24 Monate) unter diesen Einschränkungen leben, sofern sie nicht zuvor aus der Massenunterkunft abgeschoben werden. Geflüchtete, die einen Aufenthaltstitel erhalten, dürfen die Einrichtung verlassen. Der Sicherheitsbegriff, der vom Regierungspräsidium in Bezug auf die Landeserstaufnahmeeinrichtung in der Hausordnung verwendet und durchgesetzt wird, kann nicht losgelöst von der asylpolitischen Zielsetzung der Einrichtung selbst betrachtet werden. Hinter dem Konzept der Massenunterkunft steckt das Ziel, geflüchtete Menschen systematisch auszugrenzen. Die Durchsetzung einer „Lagersicherheit“ tangiert und schränkt eine Vielzahl von Grund- und Menschenrechten der Bewohner*innen ein, wie inzwischen vielfach nachgewiesen wurde. Auch der Einsatz privater „Sicherheitsdienste“ in Erstaufnahmeeinrichtungen ist verfassungsrechtlich bedenklich. Die Bewohner*innen, deren faktische Handlungsmacht stark beschnitten wird, können sich gegen Einschränkungen nur schlecht zur Wehr setzen. Es stellt sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Grundrechtseinschränkungen. Findet nicht Vieles bereits jenseits des Grauzonenbereichs statt? Sind nicht bereits Tendenzen totaler Institutionen erkennbar?
Was für eine „Sicherheit“ ist das also, die in der LEA hergestellt werden soll? Von den strikten Brandschutzregelungen bis zum Einsatz von Securitydiensten geht es um „Sicherheits“-Maßnahmen, die – wenn überhaupt – nur deshalb notwendig sind, weil mit solchen Massenlagern – allein schon durch die Unterbringung vieler Menschen auf relativ engem, umzäuntem Raum – Unsicherheit hergestellt wird. Es entsteht eine Art Ausnahmezustand, den die Behörden mit einer geradezu militaristischen Ordnung kontrollieren.
„Sicherheit“ heißt hier im besten Fall die Vermeidung von Katastrophen wie Großbränden. Im schlechteren Fall heißt es etwa auch, dass eine alleinerziehende junge Frau faktisch zu jeder Tages- und Nachtzeit damit rechnen muss, dass bewaffnete Männer (Security oder Polizei) unangekündigt in ihr Schlafzimmer eindringen. Die Bewohner* innen der LEA sind jedenfalls stark verunsichert. Perfiderweise werden sie dann in der öffentlichen Wahrnehmung auch noch für die Unsicherheit der Erstaufnahmeeinrichtungen verantwortlich gemacht. Und das alles ohne Not: Wo Menschen, ob geflüchtet oder nicht, in kleinen Wohneinheiten selbstbestimmt wohnen, braucht es keinerlei besondere Vorkehrungen.