Sammellager schließen!
Für dezentrale Unterbringung! Solidarität mit den Bewohner*innen! Aufruf zur dritten Menschenkette vor der LEA Freiburg . Wir treffen uns am Samstag, den 06. Juni 2020, um 16 Uhr vor der Landeserstaufnahmeeinrichtung Freiburg (Lörracherstraße)! Haltet Abstand und kommt mit Mundschutz!
Nach offiziellen Angaben endete am 31. Mai die Anmietung der Jugendherberge in Freiburg, die in den letzten Wochen als provisorischer Ort für einige Bewohner*innen der LEA diente. Die Geflüchteten werden damit von einem kurzeitigen Provisorium in das dauerhaft Provisorische zurückverlegt. Vielerorts wurde die Belegung der Lager dadurch entzerrt, dass neue Gebäude angemietet wurden. Die Bewohner*innen mussten bzw. müssen Ausgangssperren und Isolierungsmaßnahmen über sich ergehen lassen. Doch Isolierung und Umverteilung löst das prinzipielle Problem nicht: Lager sind nicht nur zu Corona-Zeiten ein unsicherer Ort, sie sind es zu jeder Zeit. Dieser Umstand zeigt sich auch daran, dass in Baden-Württemberg weiterhin Bundeswehrsoldat*innen in den Lagern eingesetzt werden, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Allein in der LEA Ellwangen sind 26 Soldat*innen vorerst bis Ende Juni im Einsatz.
Um die unzumutbare Lagerunterbringung weiterhin öffentlich zu thematisieren und unsere Solidarität mit den Bewohner*innen auszudrücken, versammeln wir uns erneut vor der LEA Freiburg. Wir wollen eine Regelmäßigkeit der Aktion etablieren! Die Rückmeldungen der Bewohner*innen zu den letzten beiden Aktionen haben gezeigt, dass Zeichen der Solidarität geschätzt werden und wichtig sind.
Der Aufruf zur letzten Versammlung, der leider an seiner Aktualität wenig eingebüßt hat:
‚Abstand halten‘ und ‚zu Hause bleiben‘ ist aktuell das oberste Gebot, um die Verbreitung des Coronavirus zu unterbinden. Verminderung sozialer Kontakte, das Einhalten eines Mindestabstands und Sicherung hygienischer Standards sind notwendig, um eine weitere Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus zu verhindern. Durch die geteilten Schlafzimmer, die gemeinsam genutzten Küchen (oder zentralen Versorgung über eine Versorgungshalle) und Sanitäranlagen und die hohe Anzahl von Bewohner*innen kann sich das Virus in einem Großlager schnell ausbreiten. Der empfohlene Abstand zu Mitmenschen kann in Sammelunterkünften nicht eingehalten werden. (Das Beispiel der LEA Ellwangen mit kurzzeitig über 400 Infizierten bestätigt dies.)
Es betrifft alle Landeserstaufnahmeeinrichtungen, auch Freiburg. Das Land Baden-Württemberg, Betreiber der ‚ordnungspolitischen‘ Großlager, sieht aktuell keine Veranlassung, ihr ohnehin fragwürdiges und ausgrenzende Konzept der Flüchtlingsunterbringung in Massenunterkünften zu ändern. Im Gegenteil, es soll ausgebaut werden. Die Behördenpraxis widerspricht den Vorgaben des Infektionsschutzgesetz, denn bei dem Coronavirus handelt es sich um eine ernstliche infektionsspezifische Gefahr. Den Behörden verbleibt kein Ermessensspielraum. Nach dem Infektionsschutzgesetz muss die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen treffen, um die durch Corona drohenden Gefahren abzuwenden. Nach dem Asylgesetz kann die Verpflichtung, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, aus Gründen der öffentlichen Gesundheitsversorgung beendet werden.
Selbst das Regierungspräsidium Freiburg bestätigt, dass „die aktuelle Corona-Pandemie derzeit erhebliche Auswirkungen auf die Abläufe in der LEA (hat) (…) Wir nutzen alle zur Verfügung stehenden Gebäude, um eine größtmögliche Entzerrung zu gewährleisten. Wir bemühen uns, jeder/m Bewohner/in ein Einzelzimmer zur Verfügung zu stellen. Mit der Anmietung der Jugendherberge haben wir die Belegungssituation nochmals deutlich verbessern können. Die Einrichtung bietet allen Bewohnerinnen wie Bewohnern genügend Rückzugsräume in den Häusern wie auf dem Gelände, insbesondere auch für Familien mit Kindern.“
Wir fragen uns, warum Jugendherbergen für den herkömmlichen Reiseverkehr geschlossen wurden und Geflüchtete davon ausgenommen sind? Sind die Lebensbedingungen in einer LEA so fragil und prekär, dass selbst ein Leben in einer Jugendherberge den Lebensstandard der Betroffenen erheblich erhöht, da sie dort über eigene Duschen, einen eigenen Bereich und Rückzugsräume verfügen? Fragwürdig finden wir die Versorgung über eine zentrale Kantine in der Jugendherberge!
In einer Stadt, deren politische Vertreter*innen und Akteure immer wieder betonen, dass sie sich gegen Ausgrenzung und Diskriminierung stellen, fragen wir uns, wie sie sich gegenüber ausgrenzenden Großlagern überhaupt positionieren? Das konservative Großlagerkonzept der baden-württembergischen GRÜN-CDU-Regierung spiegelt die generelle EU-Abschottungspolitik wider, die Geflüchtete in Gesamteuropa erleben. Sie sind Ergebnisse der letzten Gesetzesänderungen. Bis zu 18 Monate sollen Menschen unter minimalistischen, ausgegrenzten, kontrollierten, fremdbestimmten und einschränkenden Bedingungen im Lager bleiben.
Wir verurteilen jegliche Eingriffe in die Selbstbestimmung und in die Freiheit der Person und fordern die Partizipation der Betroffenen bei wichtigen Entscheidungen. Einem gerechten und funktionierenden europäischen Asylrecht kommt heute große politische Bedeutung zu, gerade auch, um Krisen zu entschärfen.
Wir fordern die Schließung der Landeserstaufnahmeeinrichtungen!