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Presseerklärung, 21.05.2021 | AUFRUF | Bundesweites Bündnis Lager-Watch geht mit Aufruf „Schutz für die, die Schutz suchen – Nur in der eigenen Wohnung!“ zum Tag des Grundgesetzes online / Bundesweit 47 erstunterzeichnende Gruppen
Das bundesweite Bündnis Lager-Watch, bestehend aus Initiativen, Flüchtlingsräten und Einzelpersonen, wendet sich zum Tag des Grundgesetzes mit dem Aufruf „Schutz für die, die Schutz suchen – Nur in der eigenen Wohnung“ an die Öffentlichkeit. Der Aufruf kritisiert die massiven Grundrechtseingriffe in deutschen Geflüchtetenlagern und fordert einen Paradigmenwechsel in der Aufnahme von Geflüchteten: Weg von Massenunterkünften, hin zu selbstbestimmtem und dauerhaftem Wohnen.
Hintergrund sind die zahlreichen Grundverletzungen bei der Unterbringung von Geflüchteten in Aufnahmeeinrichtungen. Deren Existenz ist in § 44 AsylG geregelt, daneben finden sich aber keine bundesgesetzlichen Regelungen, die konkrete Mindeststandards festlegen. Auch aus den Landesaufnahmegesetzen ergibt sich nicht, wieso in den Aufnahmeeinrichtungen restriktivere Bedingungen herrschen sollen als in kommunalen Unterkünften. Anfänglich wurde dies politisch mit der kurzen Aufenthaltsdauer von wenigen Wochen bis Monaten begründet. Nach den letzten Änderungen der Asylgesetze, die eine Wohnverpflichtung bis zu 18 Monaten (in manchen Bundesländern darüber hinaus) vorsehen, entfällt diese Begründung. Stattdessen sind die Grundrechtseingriffe durch die verlängerte Aufenthaltsdauer als besonders intensiv anzusehen. Die Eingriffe äußern sich vor allem in den lokalen Hausordnungen, die von den zuständigen Bundesländern ohne gesetzliche Grundlage erlassen werden. Vielerorts werden darin elementare Rechte, wie die Grundrechte auf allgemeine Handlungsfreiheit, der Persönlichkeit oder der Unverletzlichkeit der Wohnung, unverhältnismäßig beschnitten oder ganz verwehrt. Ein- und Ausgangskontrollen, Taschenkontrollen, regelmäßige Zimmerdurchsuchungen durch Securitys und Polizei, Verbot von politischer Betätigung auf dem Gelände sowie Besuchsverbote kennzeichnen den Alltag in solchen Einrichtungen. Um diese Massenlager mit mehreren hundert Bewohner*innen durchzusetzen, installiert die Politik zusätzlich Sicherheitsdienste zur Überwachung der Einrichtungen. Dabei ist es rechtlich höchst fragwürdig, inwiefern private Sicherheitsdienste regelmäßig in Grundrechte Dritter eingreifen dürfen.
„Diese Politik ist rassistisch. Menschen werden systematisch aufgrund ihrer Herkunft und ihres Aufenthaltsstatus isoliert, entrechtet und der Willkür derjenigen ausgesetzt, die in den Lagern arbeiten. Zimmer in Sammellagern sind keine Hafträume. Geflüchteten muss ein eigener Wohn- und Lebensbereich zustehen. Wenn es den Verantwortlichen um wirklichen Schutz der Schutzsuchenden gelegen wäre, würden sie das endlich politisch wie rechtlich durchsetzen. Es kann nicht sein, dass die Betroffenen durch aufwändige Gerichtsverfahren ihre Grundrechte selbst einklagen müssen,“ sagt ein Mitglied des Bündnis Lager-Watch.
Lager-Watch hat sich im vergangenen Jahr als bundesweites Bündnis formiert. Eine zentrale Forderung ist die Aufwertung der rechtlichen Stellung von Geflüchteten in Aufnahmelagern, mit der ihre faktische Handlungsmacht gestärkt werden soll. Die Geflüchteten befinden sich dauerhaft in einem asymmetrischen Machtverhältnis, ohne niederschwelligen Zugang zu Rechtsschutz. Das Bündnis setzt sich deswegen für die Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen, die Etablierung von wirksamen Gewaltschutzkonzepten sowie effektiven Kontrollmechanismen unter anderem durch ein Verbandsklagerecht ein.
„Wir fordern von den parlamentarischen Parteien, die Missstände in den nahezu rechtsfreien Räumen und die damit verbundenen Grundrechteeingriffe sofort zu beenden. Das ist keine rechtliche, sondern vor allem eine politische Frage. Eine angemessene Aufnahme gelingt nur in der eigenen Wohnung. Wohnen meint nicht nur ein Dach über dem Kopf. Wohnen steht für einen garantierten Rückzugsraum, der die Grundlage für die Entfaltung eines selbstbestimmten Lebens unter Achtung der eigenen Gesundheit, den eigenen Vorstellungen und des Kinderwohls bildet. Wohnen bedeutet endlich ankommen für die, die Schutz suchen“, so ein Mitglied von Lager-Watch.
Bereits 47 Gruppen aus dem gesamten Bundesgebiet haben den Aufruf erstunterzeichnet. Der Aufruf richtet sich neben der Politik auch an zivilgesellschaftliche Gruppen, sich dem Bündnis anzuschließen.
Kontaktadresse
Lager-Watch
c/o Aktion Bleiberecht
www.lager-watch.org