Stellungnahme zur fadenscheinigen Evaluation der Landeserstaufnahmeeinrichtung Freiburg

„Ihr Lagerlein bleibet“

 Stadt- und Gemeinderatschor singen das fröhliche Lied der Lageretablierung

Freiburg, 21. Dezember 2021 | Pressemitteilung | Zu Weihnachten, liebe Freiburger*innen, wird’s was geben. In Zeiten von knappen Waren muss es nichts Neues sein, warum nicht das Alte lobpreisen? Das dachte sich auch die Freiburger Stadtpolitik und hält trotz jahrelanger Proteste, mehrerer Gutachten und Anschreiben an der politischen Unterstützung der Freiburger Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) fest. Das ist ein Geschenk an all jene, für die es zu anstrengend ist, sich darüber Gedanken zu machen, wie Schutzsuchende würdig und inklusiv aufgenommen werden können. Es ist ein Geschenk alle, die ohnehin denken, dass angesichts von zunehmenden Migrationsbewegungen Lager alternativlos sind und dabei entstehende Grundrechtsverletzungen ein notwendiges Übel darstellen. Weltoffenheit wird in Freiburg großgeschrieben. Deswegen stört es auch kaum, wenn die Zimmer in der LEA weiterhin nicht abschließbar sind. So freut sich der bequeme Freiburger, schwärmt an Heiligabend von „humanitärer Aufnahmepolitik“ und strickt schwarz-grüne Wollsocken für die Liebsten. Ach, wie schön, dass niemand weiß, dass die LEA ein Lager ist, einer selektiven und ausgrenzenden Logik folgt und Freiburg sich damit von der Pflicht lossagt, weitere Geflüchtete kommunal aufzunehmen.

Das Märchen einer politischen Evaluation
Das Freizeitangebot in der LEA? Großartig! Das Kantinenessen? Wie bei Oma! Die Kleiderkammer? Außergewöhnlich! Es sind die zentralen Aspekte eines Massenlagers, die in der Evaluation der Landeserstaufnahmeeinrichtung zur Sprache kamen [1]. Wer braucht schon über das Kochverbot reden, wenn es eine neue Salatbar gibt. Wer muss tägliche Grundrechtsverletzungen thematisieren, wenn Verwaltungsrichter*innen im Lager Einführungskurse in das deutsche Grundgesetz geben. Arbeitsverbot, Residenzpflicht, Wohnverpflichtung neuerdings in Containern [2] bis zu 18 Monate – geschenkt, angesichts Gitarrenunterricht durch European Homecare, die am Lager saftig Profit machen.

Außer dem Einsatz der Fraktionen von JUPI/Eine Stadt für alle, die immerhin noch eine ordentliche Evaluation beantragt hatten, ist die Evaluation ein kommunales Armutszeugnis. Statt einen eigenen, progressiven Weg in der Asylpolitik zu gehen, duldet Freiburg nicht nur die Idee eines Massenlagers aus der rassistischen Mottenkiste der 80er-Jahre – mit der letzten Sitzung haben Stadt und Gemeinderat nochmal offiziell bestätigt: „Ja, wir stehen zu dieser Ausformung der rassistischen Politik der letzten Jahre und wollen dieses Lager genau in dieser Form“ [3].

Solange das Lager fortbesteht, geht auch die Mobilisierung gegen die politische Ignoranz weiter. Wer kein Bock mehr auf städtisches Weihnachts-Tralala hat, schreibt eine Mail an uns. Neue Aktive werden dringend gesucht, damit Wohlfühl-Weihnachtslieder endlich wieder im Konzerthaus spielen – statt in einem Parlament.

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[1] Die Evaluation wurde vom zuständigen Regierungspräsidium selbst durchgeführt. Zu keiner Zeit wurden Bewohner*innen in die Evaluation einbezogen. Die Evaluation beschränkt sich nur auf formale Aspekte des Vertrags zwischen Stadt und Land. Dabei ist im Vertrag wörtlich geregelt: „Im Anschluss [an die Evaluation] wird im Benehmen mit der Stadt über den weiteren Betrieb der LEA entschieden.“ Die Evaluation im Wortlaut: https://ris.freiburg.de/meeting.php?id=2021-GR-229

[2] Die LEA ist ausgelegt für 800, im „Notfall“ 1800 Personen. Da die dafür notwendigen Bauarbeiten nicht rechtzeitig fertiggestellt wurden, werden auf dem Gelände nun Container mit zusätzlichen 300 Plätzen installiert. https://rp.baden-wuerttemberg.de/rpf/service/presse/pressemitteilungen/artikel/regierungspraesidium-baut-kapazitaet-der-landeserstaufnahmeeinrichtung-fuer-fluechtlinge-in-freiburg-aus/

[3] Die Stadt schreibt wörtlich: „Aus Sicht der Stadt Freiburg hat sich der LEA-Standort in Freiburg bewährt […]. Zudem treffen die Bewohnenden vor Ort auf ein liberales Stadtklima und eine Geflüchteten gegenüber sehr aufgeschlossene Bevölkerung.“ Damit wird ein liberales Stadtklima dafür instrumentalisiert, ein funktionales Massenlager zu legitimieren. https://ris.freiburg.de/meeting.php?id=2021-GR-229