STOPPT DIE DUBLIN ABSCHIEBUNGEN
Pressemitteilung, Witzenhausen 08.04.2022 | Polizei nimmt 69-jährigen Menschen aus Witzenhausen zur Durchsetzung der Abschiebung fest — Gestern um 13.30 Uhr wurde die Rechtmäßigkeit der Abschiebehaft vom Amtsgericht Eschwege geprüft, bislang ohne Ergebnis — Erneuter Gerichtstermin wurde anberaumt, T. verbleibt solange in Polizeigewahrsam — Er soll nach Italien abgeschoben werden
Vorgestern, am 6. April 2022, wurde T., ein 69-jähriger Mann aus Eritrea der seit über zwei Jahren in Deutschland lebt, von vier Polizeibeamt*innen festgenommen.
Als die Polizist*innen T. in seiner Wohnung am Frauenmarkt in Witzenhausen nicht antrafen wurde ihnen mitgeteilt, dass T. zu Besuch bei seiner Schwester in Kassel sei. Daraufhin fuhr die Polizei Kassel zur Wohnung der Schwester, wo T. angetroffen und festgenommen wurde.
Nach einer Nacht in Polizeigewahrsam in Kassel wurde er gestern um 13:30 Uhr dem Amtsgericht Eschwege vorgeführt wo über die Zulässigkeit der Verbringung T.s in Abschiebehaft entschieden werden sollte. Der Gerichtstermin blieb jedoch ohne Entscheidung da T.s Anwalt nicht erreichbar war. Ein erneuter Termin soll mit dem Anwalt stattfinden – ein genaues Datum steht noch nicht fest, dennoch soll T. bis es soweit ist in Polizeigewahrsam in Wiesbaden verbleiben.
Zum Gerichtstermin waren auch T.s Schwester und ihr Mann sowie sechs weitere Unterstützer*innen, die T. zum Teil seit über einem Jahr begleiten, vor Ort. Sie bekundeten vor dem Gerichtsgebäude mit einem Banner und Fahnen ihre Solidarität mit T..
Die kleine und friedliche Menschenansammlung beunruhigte die Behörden scheinbar so sehr, dass sie sie – mit einigem Abstand – von mindestens drei Streifenwagen sowie einem zivilen Polizeiauto beobachten ließen.
T. soll nach Italien abgeschoben werden, da er dort bereits einen Schutzstatus innehat. Zwar ist allseits bekannt, dass die Situation in Italien auch für anerkannte geflüchtete Menschen absolut katastrophal ist, aber die deutschen Behörden halten weiterhin an Abschiebungen nach Italien fest.
T. befindet sich in einem schlechten gesundheitlichen Zustand und braucht, u.a. aufgrund seiner Diabetes-Erkrankung, regelmäßige ärztliche und medizinische Versorgung. Dies würde für ihn in Italien nicht gegeben sein, wie Berichte belegen. Es ist davon auszugehen, dass ihn in Italien Obdachlosigkeit und Leid erwarten würden 1 2.
Bereits die Anordnung des Regierungspräsidiums Kassel, den 69-jährigen, gesundheitlich sehr angeschlagenen Mann in Abschiebehaft zu nehmen ist zutiefst unmenschlich und wird von uns aufs Äußerste kritisiert. Erst vor wenigen Wochen wurde die Bundesrepublik vom EuGH für die Art der Unterbringung von Menschen in Abschiebehaft kritisiert, da diese wie Straftäter*innen behandelt würden obwohl sie keine sind 3.
Wir verurteilen ebenso die städteübergreifende Suchaktion nach T. und die Festnahme in der Wohnung seiner Schwester. Sowohl T. als auch seinen Verwandten wird damit das Recht auf sichere Orte und die Unverletzlichkeit der Wohnung genommen.
Darüber hinaus agieren die hessischen Behörden unprofessionell, wenn sie allem Anschein nach nicht mitbekommen haben, dass Italien seit 2019 keine geflüchteten Personen aus Deutschland zurück nimmt, die mehr als zwei Jahre in der Bundesrepublik verbracht haben. Ein entsprechendes Schreiben des Bundespolizeipräsidiums vom 30.10.2019 finden Sie im Anhang.
Mit Hilfe eines Anwalts wird nun versucht, die Abschiebehaft sowie eine spätere Abschiebung nach Italien zu verhindern.
Insgesamt führt das Vorhaben des Regierungspräsidiums Kassel zu immensem bürokratischen und finanziellen Aufwand sowie zu extremem Stress für T. und verdeutlicht erneut die gewaltvolle bürokratische Unlogik der deutschen Asylpolitik.
„Während von Seiten der Bundesregierung gerade die Willkommens- und Integrationskultur Deutschlands gegenüber ukrainischen Geflüchteten gepriesen wird, schiebt die Bundesrepublik im Verborgenen weiterhin gewaltsam Menschen in Not ab. Hier offenbart sich ein rassistisches System. Vereinfachte Asylverfahren und die Integration auf den Arbeitsmarkt und ins Gesundheitswesen sind möglich, aber eben nur wenn mensch die richtige Hautfarbe und den richtigen Pass hat“, so Tina B. vom Bündnis gegen Abschiebung Witzenhausen.
Pressemitteilung des Bündnis gegen Abschiebung Witzenhausen
Kontakt: bgaw@riseup.net
https://twitter.com/BAbschiebung
Witzenhausen, 8.4.2022