Liebe Schutzsuchende aus Afghanistan, Wir stehen an Ihrer Seite!
Aufruf | Petition unterschreiben | Wir wissen aus zahlreichen persönlichen Begegnungen und Gesprächen, dass viele von Ihnen in großer Sorge sind, seit kürzlich die EU und die korrupte afghanische Regierung ein Rücknahmeabkommen geschlossen haben. Afghanistan erhält über vier Jahre verteilt 13 Milliarden Euro -die in den Taschen der Eliten verschwinden werden -und nimmt im Gegenzug 80.000 afghanische Flüchtlinge zurück, ein großer Teil davon aus Deutschland. Ein unmenschlicher Deal, staatlich abgesegnetes Unrecht, Menschenhandel in großem Maßstab.
In Afghanistan herrscht seit fast vierzig Jahren Krieg. Die militärische Intervention nach dem 11. September2001, an der auch die Bundeswehr bis heute beteiligt ist, hat Afghanistan nicht sicherer gemacht -im Gegenteil: Das Land ist unsicherer denn je. Innenminister de Maizière behauptet aber gegen besseres Wissen, Afghanistan sei -mindestens teilweise -ein „sicheres Herkunftsland“.
Und nun hat tatsächlich die erste Massendeportation begonnen.
Wer vor Krieg, Elend und Tod Schutz suchende Menschen dorthin zurück zwingt, verstößt bewusst gegen die viel beschworenen Grundwerte der EU und gegen unser Grundgesetz.In Afghanistan, nach wie vor einem der ärmsten Länder der Welt, gibt es jetzt schon über 1,2 Millionen „Binnenflüchtlinge“, die unter menschenunwürdigen Bedingungen leben und sterben. Es gibt für dorthin abgeschobene Menschen keine Lebens-, für viele keine Überlebenschancen.
Leider können wir Ihnen Ihre Sorgen nicht nehmen. Aber wir erklären hiermit öffentlich:
Für den Fall, dass die Bundesregierung tatsächlich Sie und andere afghanische Flüchtlinge in Ihr von Krieg zerfressenes Herkunftsland abschieben will, werden wir uns solchen Unrechts-Maßnahmen widersetzen. Wir stehen an Ihrer Seite und werden alles in unserer Macht Stehende tun, um Sie zu schützen.
Wir werden Ihnen helfen, die Umstände Ihrer Verfolgung und Flucht und Ihre persönliche Situation öffentlich zu machen, ebenso die aktuelle Situation in Afghanistan. Damit machen Sie für alle verständlich, dass Ihre Abschiebung gegen die Menschenrechte verstößt. Wir werden Behörden, Presse, Kirchen, Vereine, Prominente und Politiker vor Ort, in den Landtagenund im Bundestag bitten, für Ihren Schutz einzutreten.
Wenn der Staat seinen internationalen Schutzverpflichtungen gegenüber Ihnen und anderen afghanischen Flüchtlingen nicht mehr nachkommt, werden wir, Mitglieder der Zivilgesellschaft, uns für Sie einsetzen -notfalls gegen staatliche Maßnahmen.
Erstunterzeichner/-innen (Stand 22.12.2916):
Jawid Ahmad,
RiederingDr. Emma Auch-Dorsch, Ärztin,München
Senta Berger, Schauspielerin,München
Dr. Andreas Böhm, Arzt, Rosenheim
Eva Clemenz, Ärztin, Berlin
Dr. Winfrid Eisenberg, Arzt, Herford
Abuzar Erdogan, SPD-Stadtrat, Rosenheim
Diana Frankenberg, Intensiv-Gesundheits-und Krankenpflegerin, Rosenheim
Angelika Graf, MdB a.D., SPD, Rosenheim
Prof. Dr. Hans Beat Hadorn, Arzt, München
Hubert Heinhold, Rechtsanwalt, München
Dr. Elisabeth Heyn, Ärztin, Fürth
Dr. Ernst Ludwig Iskenius, Arzt, Rostock
Ulla Jelpke, MdB, Linke, Dortmund
Christine Kamm, Landtagsabgeordnete, Grüne, Augsburg
Dr. Jürgen Micksch, Theologe und Soziologe, Darmstadt
Daniel Müller, Student, Osnabrück
Dipl.Psych. Michaela Müller, Psychotherapeutin, München
Dr. Michaela Müller, Ärztin, Stephanskirchen
Dr. Thomas Nowotny, Arzt, Stephanskirchen
Dr. Ingeborg Oster, Ärztin, München
Dr. Gisela Penteker, Ärztin, Otterndorf
Dr. Günter Rexilius, Psychotherapeut, Mönchengladbach
Barbara Riedel, Psychotherapeutin, Rosenheim
Dr. Christian Schönhals, Arzt, München
Michael Spreng, Rosenheim
Claudia Stamm, Landtagsabgeordnete, Grüne, Ottobrunn
Terry Swartzberg, Autor und Journalist, München
Hamon Tanin, Politikwissenschaftler, Stephanskirchen
Luca Verhoeven, Schauspieler, München
Prof. Dr. Michael Verhoeven, Arzt, Regisseur, München
Marianne Weiss, Sprecherin der Grünen, Augsburg
Dr. Waltraud Wirtgen, Ärztin, München
Pressemitteilung |des Arbeitskreises Flucht und Asyl der IPPNW:
Risiken und Nebenwirkungen der Abschiebepolitik
Als Ärztinnen und Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten, die schutzsuchende Menschen behandelnund begleiten, erfahren wir täglich von ihren schrecklichen Erlebnissen, die sie zur Flucht veranlasst haben. Wir spüren ihre Angst, wenn sie von Abschiebungen in ihr Herkunftsland hören. Wir spüren die Panik, die sie erfasst, wenn ihnen selbst die Abschiebung angedroht wird. Aus eigener Anschauung wissen wir, dass gewaltsame Abschiebungen schwere Traumata auslösen und bei schon traumatisierten Menschen Reaktualisierungenmit gefährlichen seelischen Folgen hervorrufen.
Leben zerstört
Der junge Afghane E. bekommt Anfang Dezember die Mitteilung, dass er bis zum 28.12.2016 ausreisen muss, nachdem sein Asylantrag abgelehnt und seine Klage dagegen abgewiesen wurde. Daraufhin versucht er mindestens fünf Mal, sich das Leben zu nehmen. Seine Betreuerin schreibt:
„Für mich als seine Sozialpädagogin ist es unbegreiflich, was aus E. wurde. Ich habe ihn als lustigen, freundlichen und hilfsbereiten jungen Mann kennengelernt. Er ist ein Vorbild an guter Integration. Hat innerhalb weniger Monate die deutsche Spreche durch unglaubliche Eigeninitiative gelernt. War einer unserer fleißigsten Schüler, hat einen Ausbildungsplatz erhalten und geschafft durch seine guten Leistungen die Schulzeit um ein Jahr zu verkürzen. Er ist nun in der Abschlussklasse. Mit einem Mal sind all seine Träume geplatzt. Nicht nur die Träume, auch sein Leben. Momentan hat er jeden Antrieb und Lebensfunken verloren. Auch weil einer seiner Freunde und unser Schüler in dem Abschiebeflugzeug vom letzten Mittwoch war. Seitdem hat er jeden Mut verloren.“
Wenn Recht zu Unrecht wird
Die Behauptungen des Bundesinnenministers, Afghanistan sei mindestens in Teilen sicher und der Terror dort richte sich nicht gegen die Zivilbevölkerung, sind vielfach widerlegt.
Wir sind geschockt über 12 Tote und 45 Verletzte nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt und trauern mit den Opfern und ihren Familien. Doch stellen wir uns diese Situation als Alltag vor: 2.562 tote und 5.835 verletzte Zivilisten in Afghanistan allein in den ersten neun Monaten 2016! Ihnen giltunser Mitgefühl in gleichem Maße und wir verstehen dieFluchtgründe nun umso mehr.
Wir sehen Zwangs-Abschiebungen nach Afghanistan als ein staatliches Unrecht an, das weder durch das Grundgesetz noch durch internationale Verträge gedeckt ist. Auch das Bundes-verfassungsgericht stoppte am 14. Dezember 2016 die Abschiebung eines afghanischen Flüchtlings mit der Begründung, dass die „veränderte Sicherheitslage im Land“ bei der Entscheidung über einen Asylfolgeantrag hätte berücksichtigt werden müssen.
Nicht wegsehen!
Wir fordern daher alle Menschen auf, nicht an Abschiebungen nach Afghanistan mitzuwirken –ob sie in Regierung und Behörden, in Polizei und Justiz, in Fluggesellschaften oder beim medizinischen Personal tätig sind: Folgen Sie Ihrem Gewissen und nicht vermeintlichen Sachzwängen.
Besonders appellieren wir an das Verantwortungsgefühl der Grünen, die sich auf ihrem Parteitag im November 2015 dezidiert gegen Abschiebungen nach Afghanistan ausgesprochen haben. Trotzdem waren Afghanen aus vier Bundesländern mit grüner Regierungsbeteiligung von der Massendeportation am 14.12.2016 betroffen: Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Hamburg. In einem Brief an die grünen Landtagsfraktionen fordert die IPPNW, diese Kollaboration sofort zu beenden.
An der Seite der Schutzsuchenden
Wir bitten alle Menschen, öffentlich dafür einzutreten, dass die Bundesregierung ihre Afghanistan-Flüchtlingspolitik im Sinne der Menschenrechte neu justiert. Eine gute Möglichkeit ist die Unterstützung der beiliegenden Erklärung an die Schutzsuchenden, die auf change.org*veröffentlicht ist. Wir wollen damit den von Abschiebung bedrohten Geflüchteten ebenso Mut machen wie denen, die sie unterstützen wollen.Wir wolleneinen Weg aufzeigen, durch öffentlichen Druck gemeinsam gegen die menschenrechtswidrigen Deportationen vorzugehen.Zahlreiche Menschen, darunter Prominente und Politiker/-innen, haben bereitsunterschrieben.
Ärztinnen und Ärzte des Arbeitskreises Flucht und Asyl der IPPNW(Internationale Ärzte für die Verhütung desAtomkriegs –Ärzte insozialerVerantwortunge.V.)
*www.change.org/nodeportation
Kontakt: Dr. Thomas Nowotny, t.nowotny@onlinehome.deTel. 08031 3918018
Salzburger Str. 27, 83071 Stephanskirchen