Flüchtlinge mit eigenem Einkommen werden über teilweise horrende Nutzungsgebühren zur Kasse gebeten.
Der Flüchtlingsrat BW sieht darin ein Hindernis für die Integration und appelliert an Landkreise und Kommunen, die Gebühren verhältnismäßig auszugestalten.
Pressemitteilung 28.08.2017 | Wer als Geflüchteter in einer Unterkunft von Landkreis oder Kommune lebt und seinen Lebensunterhalt durch Arbeit selbst verdient, muss für die Unterbringung eine sogenannte „Nutzungsgebühr“ bezahlen. In Baden-Württemberg sind diese Gebühren nicht zentral festgelegt, die Land- und Stadtkreise können hierfür in Eigenregie Gebühren festsetzen. In einigen Kreisen wurden diese Gebühren in den letzten Monaten drastisch angehoben. So müssen nun alleinstehende Geflüchtete ab 16 Jahren im Landkreis Ravensburg 248 € für einen Schlafplatz zahlen, im Landkreis Konstanz sind es sogar 320 €. Meist erfolgt die Unterbringung dabei nicht in geräumigen Einzelzimmern oder gar Wohnungen, sondern es handelt sich in der Regel um Mehrbettzimmer mit Gemeinschaftsküche und -bad.
In Stuttgart wird ab 1. September eine besonders drastische Situation eintreten: Für eine Wohnfläche von 4,5 Quadratmeter sollen dann laut Gemeinderatsbeschluss knapp 390 € und für eine Wohnfläche von 7 Quadratmeter knapp 606 € von den Geflüchteten gefordert werden. Einmalig befristet für sechs Monate sollen niedrigere Sätze (228 € bzw. 354 €) gelten, die laut Satzung einen Anreiz darstellen sollen, innerhalb von sechs Monaten eigenen Wohnraum zu suchen. In Anbetracht des völlig überlaufenen Stuttgarter Wohnungsmarkts schätzt der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg jedoch die Aussicht auf einen Auszug aus der Unterkunft für das Gros der Betroffenen als nicht sehr realistisch ein.
„Dass Personen, die für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen, einen finanziellen Beitrag zu ihrer Unterbringung leisten sollen, ist aus unserer Sicht vollkommen korrekt. Wenn aber daraus astronomische Quadratmeterpreise – beim Extrembeispiel Stuttgart bis zu 86 € pro Quadratmeter – resultieren, lässt dies jegliche Verhältnismäßigkeit vermissen“, kommentiert Melanie Skiba vom Flüchtlingsrat. Durch die hohen Nutzungsgebühren könnten Geflüchtete von einer Arbeitsaufnahme abgeschreckt werden, was dem gesellschaftspolitischen Ziel der Integration zuwiderlaufen würde. Zudem kann es durch eine starke Anhebung der Nutzungsgebühren passieren, dass Menschen, die bereits unabhängig von staatlichen Leistungen waren, wieder in den Sozialleistungsbezug fallen. „Im Ergebnis entfalten horrende Nutzungsgebühren eine integrationshemmende Wirkung“, so Melanie Skiba abschließend. Daher appelliert der Flüchtlingsrat an die Landkreise und Gemeinden, bei einer etwaigen Neufestsetzung der Nutzungsgebühren Verhältnismäßigkeit walten zu lassen.
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