Frankfurter Rundschau 8.10.10
EU schiebt Flüchtlinge ab
Zurück nach Pakistan
„Ungeachtet der katastrophalen Lage in Pakistan beschlossen die EU-Mitgliedstaaten gestern, illegal Eingewanderte aus dem Land schneller zurückzubringen.
Die USA haben sich bei Pakistan für einen Hubschrauberangriff entschuldigt, bei dem vergangene Woche zwei pakistanische Soldaten getötet worden waren. Nach dem Vorfall hatte Pakistan die wichtigste Versorgungsroute nach Afghanistan gesperrt, seitdem werden verstärkt Nato-Lastwagen mit Nachschub von Aufständischen angegriffen. Bei fünf Attacken binnen einer Woche steckten Taliban 120 Tanklaster in Brand. Die Schließung der Grenze trifft die Nato hart: 70 bis 80 Prozent ihrer Versorgung kommen durch Pakistan nach Afghanistan. Bei einem neuen Drohnenangriff wurden in der Unruheregion Nord-Waziristan mindestens vier Menschen getötet.
Ungeachtet der katastrophalen Lage in Pakistan beschlossen die EU-Mitgliedstaaten gestern, illegal Eingewanderte aus dem Land schneller zurückzubringen. Die Innenminister stimmten in Luxemburg einem umstrittenen Rückführungs-Abkommen mit Pakistan zu. Betroffen davon sind nicht nur pakistanische Staatsbürger, sondern auch Afghanen, die über Pakistan in die EU gelangen. Das EU-Parlament hatte dem Abkommen im September gegen den Widerstand von Grünen, Sozialisten und Linken zugestimmt. Diese machen gemeinsam mit Menschenrechtsgruppen geltend, das Pakistan nicht in der Lage sei, die Sicherheit von Flüchtlingen zu garantieren. Wegen des Krieges in Afghanistan nimmt Pakistan mehr Flüchtlinge auf als jedes andere Land. Es hat die Genfer Flüchtlingskonvention nicht gezeichnet. Laut EU-Statistikamt Eurostat waren den Behörden im Jahr 2009 rund 15.500 Pakistaner und 51.000 Afghanen bekannt, die sich illegal in der EU aufhielten. Rund 11.000 Pakistaner und Afghanen wurden abgeschoben.
Als Reaktion auf die verheerenden Überschwemmungen in Pakistan will die EU zugleich den Wiederaufbau des Landes mit Zollvergünstigungen fördern. EU-Handelskommissar Karel De Gucht schlug vor, die Einfuhr-Zölle auf pakistanische Waren in insgesamt 75 Produktgruppen einseitig aufzuheben. Dazu zählen auch Textilien, das wichtigste Exportgut des Landes. Die Vergünstigungen sollen drei Jahre gelten. Sie betreffen etwa ein Viertel aller Exporte Pakistans in Richtung EU. Damit De Guchts Pläne 2011 in Kraft treten können, müssen EU-Ministerrat und Europaparlament zustimmen. Notwendig ist auch eine Sonder-Genehmigung der Welthandelsorganisation.“ (mit afp)