Kommentar bei ffm-online | Seehofer startet durch, und Salvini weist nicht nur die Rettungsschiffe der NGOs ab, sondern will jetzt auch die Roma im Land zählen lassen. Europa gerät in Turbulenzen, wie man sie sich noch vor kurzem kaum hat vorstellen können. Die polnische Entwicklungen und noch Orbáns zweiter Sieg schienen weit in der Peripherie statt zu finden.
Gegenüber dem beharrlichen Angriff rechtspopulistischer Medien und einer mit bestürzender Geschwindigkeit sich formierenden Rechten scheint die deutsche Willkommenskultur sich aufzulösen. Inzwischen treibt nicht mehr „das Volk“ die politische Klasse vor sich her, sondern eine energische und intelligente Maschinerie transformiert die Gesellschaft. Die mehrheitliche Ablehnung von Abschiebungen ist in den Umfragen deutlich ins Gegenteil gekippt. Wer hätte sich träumen lassen, dass die Zivilgesellschaften auch in Westeuropa so wenig resistent sind?
Wächst das Rettende auch? Ein Blick auf die pro-europäische Fraktion der politischen Klasse lässt nicht viel Gutes erwarten. Allerdings gibt es Minderheiten, die uns unterstützen werden, quer zu den traditionellen Fraktionen, wenn wir den Versuch wagen, Elemente eines global orientierten Humanismus zu formulieren, in dem die Grundrechte *aller* Menschen im Mittelpunkt stehen. Es gibt überall in Europa ein stabiles Drittel sozial, demokratisch und irgendwie links orientierter Menschen, von denen freilich manche sich in die Innerlichkeit zurückziehen werden. Sie sind auf nationalem oder europäischem Niveau nicht mehrheitsfähig, allen linken Sammlungsbewegungen zum Trotz. Aber sie sind mehrheitsfähig in vielen, vielleicht den meisten, Städten Europas.
Das Rettende wächst in den Städten. Wir werden auch in Europa einen Dualismus erleben zwischen den nationalen Politiken und den Städten, wie in den USA oder Kanada. Die Freiheit wird in den Städten verteidigt.
Ein Europa von Oben wird es nicht geben. Schaffen wir also ein Europa von Unten, das mit sicheren Häfen, sicheren Korridoren der Migration und sicheren Orten in den Städten beginnt, und in dem sich städtische Milieus und solidarische Orte zu Keimzellen eines anderen Europa entwickeln.