Sofortige Einstellung aller Verfahren gegen Geflüchtete der Landeserstaufnahmeeinrichtung Ellwangen!
Pressemitteilung | Am Mittwoch den 08. August 2018 fand vor dem Amtsgericht Ellwangen der zweite Prozess gegen einen Geflüchteten statt. Der Prozess steht im Zusammenhang mit der am 3. Mai 2018 stattgefundenen Polizeirazzia in der Landeserstaufnahmestelle in Ellwangen, an der sich laut Gericht „500 bis 600 Polizeibeamte“ beteiligten. Der Geflüchtete saß seit dem 3. Mai in Untersuchungshaft in der JVA Schwäbisch Hall.
In der Presse und in politischen Reden wird und wurde immer betont, dass die Polizeirazzia am 3. Mai 2018 im Zusammenhang mit dem Protest von Geflüchteten gegen eine Dublin-Abschiebung nach Italien eines Togoer vom 30. April 2018 steht. Sowohl der Prozess am 31. Juli 2018 gegen einen Geflüchteten, wie auch der Prozess am 8. August 2018 wurden mit der Protestaktion nur sehr entfernt in Verbindung gebracht.
Laut Pressestelle des Polizeipräsidiums Aalen dienten die „Maßnahmen“, das heißt der Polizeieinsatz, „nicht zur Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen“. Das sei auch der Grund warum „weder die Staatsanwaltschaft noch ein Gericht eingebunden“ wurden.“ „Der Polizeivollzugsdienst war für die Anordnung und Durchführung der entsprechenden Maßnahmen originär zuständig.“ Das heißt es gab keinen Durchsuchungsbeschluss!
Der nächtliche Großeinsatz wurde in einer Pressemitteilung der Polizei Aalen vom 03.05.2018 ebenfalls als „umfangreiches Personenfeststellungsverfahren“ gerechtfertigt. Dies bestätigte auch Thomas Hiesinger von der Kripo Aalen vor Gericht. Auch einzelne Polizisten bestätigten dies als Zeugen. Das heißt, die Polizeiaktion stand nicht in direktem Zusammenhang mit dem Protest der Geflüchteten. Dann stellt sich die Frage, warum und zu welchem Zweck eine solche Aktion zur Personenfeststellung durchgeführt wurde, obwohl doch jede Bewohnerin und jeder Bewohner über eine Chipkarte verfügt und das Verlassen und Betreten der Einrichtung mittels der Chipkarte erfasst wird. Über das Erfassungssystem hätte man schnell wissen können, wer sich in der Einrichtung aufhält und wer nicht. Selbst der Togoer hielt sich am 3. Mai in der Einrichtung auf. Der Togoer war nicht, wie behauptet, untergetaucht.
War der Polizeieinsatz überhaupt rechtens? Muss nicht für eine Wohnungsbetretung, und das müsste auch für eine Landeserstaufnahmeeinrichtung gelten, denn auch ein Zimmer in einer Gemeinschaftsunterkunft ist eine Wohnung, eine ‚dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit‘ gegeben sein? War diese gegeben, wenn es sich um „Personenfeststellungen“ handelte, wie es die Pressestelle des Polizeipräsidiums Aalen mehrfach mitgeteilt hat ?
Tatsächlich drängt sich die Frage auf, ob es sich bei der Aktion, bei der laut Regierungspräsidium Stuttgart 40 offene Türen durch die Polizei eingeschlagen wurden, nicht doch um eine politische Aktion gehandelt hat?
Aus der Anfrage der FDP im Landtag von Baden-Württemberg wissen wir, dass im Vorfeld der Aktion auch die Leitung der LEA Ellwangen, das Regierungspräsidium Stuttgart und das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg in „die Einsatzvorbereitungen“ eingebunden waren. „Bei den im Rahmen der Einsatzvorbereitung durchgeführten behördenübergreifenden Besprechungen war u. a. ein Vertreter des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg beteiligt.“
Die Aktion galt den „Afrikanern“ die „in den Gebäuden 92, 94, 95“ untergebracht waren, so Kripochef Hiesinger vor Gericht. Diese Aussage deutet darauf hin, dass es die Männer vom afrikanischen Kontinent selbst sind, die als Gefahr wahrgenommen werden. Ihnen wird eine Risikoidentität angehaftet. Sie werden zu einem Sicherheitsrisiko gemacht. Ein solches Sicherheitsrisiko muss kontrolliert werden, notfalls auch zulasten individueller Freiheitsrechte. Dieses Rational haben wir beim Polizeigroßeinsatz beobachten können. Alle geflüchteten Männer standen unter Generalverdacht. Ihre individuellen Rechte wurden aufgrund einer kollektiven Risiko-Identität temporär eingeschränkt. Sie wurden durchsucht und festgehalten, weil sie sind, wer sie sind, und weil sie leben, wo sie leben.
Dabei haben einige Menschen Angst bekommen, haben versucht zu fliehen, sich zu wehren. Diese Menschen stehen nun vor Gericht. Sie werden angeklagt wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und wegen aktiver Tätigkeit. Durch diese Anklagen werden sie juristisch zu Kriminellen, obwohl sie vorher keine waren. Der Polizeieinsatz wird somit zu einem Instrument, der das Vorgehen der Polizei a posteori rechtfertigen soll.
Am 31. Juli 2018 wurde ein Geflüchteter, der im Affekt „zwei drei gezielte“ Schläge auf den Helm eines Polizisten abgegeben haben soll, zu 6 Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. Mehr als drei Monate saß ein Geflüchteter in Untersuchungshaft und erhielt nun am 8. August 2018 eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen á 5 Euro. Der Haftbefehl wurde aufgehoben. Weitere Prozesse folgen. Andere bekamen Strafbefehle zugestellt.
Aktion Bleiberecht Freiburg
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