Protest im Gefängnis während der Demonstration
Am Samstag den 11. Mai 2019 wurde in Pforzheim gegen die Abschiebehaft demonstriert. Aufgerufen zur Demo hatte das Antirassistische Netzwerk Baden-Württemberg. Zeitgleich versammelten sich etwa 80 Nazis von der Partei ‚Die Rechte‘ am Bahnhof von Pforzheim. Auch dagegen wurde von ‚Pforzheim gegen Rechts‘ demonstriert. Später hat sich die Anti-Knast-Demo dem Anti-Nazi-Protest angeschlossen.
Bei der Anreise von Demonstrationsteilnehmer*innen versuchte die Polizei, Personen die zur AntiRA-Demo unterwegs waren, zu kontrollieren und zu durchsuchen. Es wurde zwischen ’normalen‘ und ’nicht normalen‘ Reisenden unterschieden. Dafür waren in der Bahnhofsunterführung Absperrgitter aufgebaut. Nach Interventionen der Versammlungsleiter und eines Anwaltes wurden die Polizeikontrollen eingestellt.
Die Demonstration versammelte sich geplant und startete in Richtung Abschiebegefängnis. ‚Gegen nationalistische und rassistische Hetze‘ , ‚Nein zum Lagersystem‘, ‚Stoppt die Abschiebungen‘, ‚das Problem heißt Rassismus‘ und ‚Bleiberecht statt Abschiebeknast‘ waren die Forderungen die auf Transparenten erhoben wurden.
Der Demonstrationszug erreichte das Abschiebegefängnis. Die Nachricht verbreitete sich, dass der größte Teil der Gefangenen von der Straßenseite des Gefängnisses ins Innere des Gebäudes verlegt wurden. Sie sollten kein Kontakt zur Demonstration aufnehmen. Dennoch meldeten sich Geflüchtete lautstark aus einer Zelle: „Nous sommes discriminés„ (Wir werden diskriminiert). Die Organisatoren der Demonstration konnten einen Handykontakt in das Gefängnis herstellen. So konnte ein Geflüchteter direkt aus dem Gefängnis über die Lautsprecheranlage mit den Teilnehmer*innen der Demonstration in Kontakt treten. Er erklärte, dass er unschuldig im Gefängnis sitzt und seine zwei Kinder hier in Deutschland leben. Weiterhin sagte er, dass sich alle im Gefängnis sehr diskriminiert fühlen und nicht verstehen warum sie inhaftiert sind. Niemand habe eine Straftat begangen. Unklar war aus welchem Raum, der Anruf kam, denn er betonte, dass er mit anderen in einem ‚Waschraum bzw. Duschen‘ festgehalten wird. Die genauen Hintergründe werden noch geklärt.
Offensichtlich löste unser Protest, die Kundgebung und der Anruf aus dem Knast, im Gefängnis Protest gegen die Inhaftierungen aus. Zu beobachten war, dass etwa 10 bis 12 behelmte Polizisten, die zur Demonstration eingesetzt waren, in das Gefängnisgebäude stürmten. Danach fuhren noch drei Polizeifahrzeuge mit Blaulicht vor dem Abschiebegefängnis vor. Später gab es die Information, dass die Gefangenen in ihre Zellen gedrängt wurden und diese bis Montag nicht mehr verlassen dürfen. Normalerweise dürfen sich die Geflüchteten „von morgens bis zum Einschluss um 22 Uhr frei bewegen, müssen sich also nicht in ihrem Zimmer aufhalten“1. Während der Kundgebung sprachen auch Vertreter*innen der Pforzheimer „Arbeitsgruppe Abschiebehaft“. Bereits im Vorfeld der Demonstration protestierte die Arbeitsgruppe: „Dort werde den Flüchtlingen ihr Recht auf ein offenes Beratungsangebot verweigert. Zudem würden sie in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt, sagten Vertreter von Flüchtlingsverbänden und Kirchen am Mittwochabend in Pforzheim. Außerdem gebe es keine ausreichende medizinische und psychologische Betreuung. Die Missstände hatte die Pforzheimer „Arbeitsgruppe Abschiebehaft“ zuvor auch in einem Brief an Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung kritisiert.“2
Die Demonstration in Pforzheim, zeitgleich fanden auch in Mainz/Ingelheim, Dresden, Dessau, Halle, Glückstadt, Eichstätt und Hannover Aktionen und Demonstrationen gegen die Abschiebehaft statt, waren wichtig und müssen weitergeführt werden. Die Abschiebehaft ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Diese nimmt sich das Recht heraus Menschen ihrer Freiheit zu berauben, nur weil sie nicht hier geboren oder ihre Flucht- und Migrationsgründe nicht anerkannt wurden.
Extreme Rechte, Nazis, aber auch politische Akteure aller Parteien, bringen diese Gesellschaft immer mehr in ein nationalistisches Fahrwasser in der die Gefahr einer neuen deutschen Volksgemeinschaft besteht. Bereits die Umbenennung des Bundesinnenministeriums in Heimatministerium macht dieses Potential der Ausgrenzung deutlich. Wenn diese Entwicklung nicht gestoppt wird, werden wir am Ende dort ankommen, wofür die Nazis von der Partei ‚Die Rechte‘ demonstriert haben.
Diese Entwicklungen zeigen, dass es von großer Wichtigkeit ist, dass sich mehr Menschen gegen die Abschiebehaft einbringen müssen, denn ‚100 Jahre Abschiebehaft!‘ sind genug.
1https://www.pz-news.de/pforzheim_artikel,-Abschiebegefaengnis-in-der-Kritik-Missstaende-wegen-fehlender-Fuersorge-_arid,1294025.html
2https://www.evangelisch.de/inhalte/156202/09-05-2019/fluechtlingshelfer-kritisieren-missstaende-der-abschiebehaft