EU-Innenminister: Geisterdebatte über „Lager in Afrika“

PRO ASYL fordert Seenotrettung und konzertierte Flüchtlingsaufnahme

PRO ASYL / Presseerklärung 12. März 2015

Die Innenminister verschiedener EU-Staaten, darunter der deutsche Innenminister Thomas de Maizière, schlagen anlässlich des heutigen EU-Innenministertreffens die Einrichtung von Asylzentren in Nordafrika vor.

Flüchtlinge sollen bereits im Transit in EU-Lagern von der Überfahrt über das Mittelmeer abgehalten werden – angeblich um Tote zu verhindern. Seit Monaten überlagert die Debatte über sogenannte „Willkommenszentren“ bzw. „Flüchtlingslager in Nordafrika“ die europäische Flüchtlingsdebatte. Der Evergreen „Asylzentren irgendwo in Afrika“ wird revitalisiert zu einer Zeit,in der Europa die Seenotrettung bewusst zurückgefahren hat und damit die Todesrate im Mittelmeer noch weiter steigen lässt – über 400 Flüchtlinge sind bereits in den letzten Wochen auf dem Weg nach Europa gestorben – über 4.000 im letzten Jahr.

„Diese Debatten sind zynisch, realitätsfern und geschwätziges Blendwerk, um Europas völlige Tatenlosigkeit angesichts des Massensterbens im Mittelmeer und des Flüchtlingselends auf der anderen Seite des Mittelmeers zu verdecken“, so Karl Kopp, Europareferent von PRO ASYL.

Europäische Kakophonie, völlige Tatenlosigkeit angesichts des Massensterbens

Der italienische Innenminister Alfano kündigt im Vorfeld des heutigen EU-Innenminister-treffens an, dass Italien in Tunesien, Niger und dem Sudan internationale „Aufnahmeeinrichtungen“ für Flüchtlinge schaffen möchte. Dort solle „gescreent“ werden, wer Flüchtling ist. Diese werden dann innerhalb von Europa verteilt. Die „Nicht-Schutzbedürftigen“ sollen zurückgeführt werden. Der EU-Kommissar Avramopoulos schwadroniert, dass EU-Botschaften Anlaufpunkte für Schutzsuchende sein könnten, um dort ihr Schutzgesuch zu prüfen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière rühmt sich, diese Debatte über „Willkommenszentren“ initiiert zu haben. Vorher hat er sich maßgeblich dafür eingesetzt, dass die italienische Seenotrettungsoperation Mare Nostrum beendet wurde, weil sie sich zu einer „Brücke nach Europa“ entwickelt habe.

Ginge es darum, das Leid der Flüchtlinge zu mindern, wie in allen Beiträgen behauptet, dann wäre die fatale Frontex-Operation Triton längst beendet, eine europäische Seenotrettung installiert und gleichzeitig ein großzügiges Flüchtlingsaufnahmeprogramm auf EU-Ebene aufgelegt.

Flüchtlingslager sind bereits zahlreich auf dem afrikanischen Kontinent und in den Nachbarstaaten Syriens und Iraks. Die existenzielle Herausforderung ist, den darbenden Flüchtlingen dort Schutz und ein menschenwürdiges Leben in Europa zu eröffnen.

Für Aufnahme und Seenotrettung

Konzertierte Aufnahme: Da die Schutzkapazitäten in den Nachbarstaaten Syrien schon lange zur Neige gingen, muss Europa endlich konzertiert Flüchtlinge aufnehmen. Avromopoulos könnte seinen Job machen, indem er endlich eine europäische Flüchtlingsaufnahmekonferenz zu Syrien und Irak organisiert. Er sollte sich für die Nutzung existierender Instrumentarien wie humanitäre Aufnahme- und Resettlementprogramme, unbürokratische Visavergabe, erweiterte Familienzusammenführung einsetzen, um hunderttausenden Flüchtlinge den lebensgefährlichen Seeweg zu ersparen.

Evakuierung aus Libyen: Flüchtlinge aus Syrien, Eritrea, Somalia, etc. kämpfen um ihr Überleben in Libyen. Eine Evakuierung zur Lebensrettung dieser Gestrandeten wäre ein Gebot der Menschlichkeit. Eigene Staatsangehörige haben die EU-Staaten schnell und umsichtig außer Landes gebracht. Flüchtlinge blieben schutzlos zurück und sind gezwungen, die häufig tödlich endende Bootspassage nach Europa anzutreten.

Europäischer Seenotrettungsdienst: Das Mittelmeer ist unser gemeinsames Meer, die Rettung von Bootsflüchtlingen eine gesamt-europäische Aufgabe. Europa muss Mare Nostrum europäisieren und massiv ausbauen zu einer zivilen europäischen Seenotrettung.

Push-Backs an den EU-Außengrenzen beenden: An den Landgrenzen der EU (Bulgarien, Griechenland, Ceuta und Mellila) werden systematisch Schutzsuchende völkerrechtswidrig zurückgewiesen. Die Einhaltung menschenrechtlicher Standards würde Flüchtlingen den Zugang zum Territorium der EU eröffnen.

Schutzsuchende und Außenstaaten nicht im Stich lassen: Ankommenden Flüchtlingen muss die legale Weiterreise zu ihren Familien und Communities in andere EU-Staaten ermöglicht werden. Wenn beispielsweise die neue griechische Regierung ernsthaft eine menschenrechtskonforme Flüchtlingspolitik einleitet und wie bekundet Push-Backs an der Land- und Seegrenze beenden will, dann müssen die EU- Staaten im Gegenzug die legale Weiterreise der Neuankommenden ermöglichen.

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