Die Bundesregierung will weder Not noch Diskriminierung von Roma im Kosovo sehen
PRO ASYL kritisiert komplette Realitätsverweigerung: Papierene Absichtserklärungen genügen nicht
Übereinstimmend sehen unabhängige internationale Beobachter und Organisationen die Lage der Minderheiten der Roma, Ashkali und Ägypter im Kosovo als extrem kritisch an. Sie verlangen zumindest eine Aussetzung der Abschiebungen aus westeuropäischen Staaten. Ganz anders die Bundesregierung. Die sieht keinen Grund, ihre Abschiebepraxis in Zweifel zu ziehen. Dies ergibt sich aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage von Bündnis 90 / Die Grünen im Bundestag (BT-Drucksache 17/ 692).
Nicht die Wirklichkeit ist der Maßstab der Bundesregierung. Ihr genügen papierene Absichtserklärungen und die Existenz von Menschenrechtsbeauftragten, um die Situation schön zu schreiben. Die Interimsverwaltung der Vereinten Nationen für den Kosovo (Unmik) hat in den zehn Jahren ihrer Tätigkeit für jede Kommune Minderheitenbeauftragte etabliert – machtlose Papiertiger ohne ein Budget oder politisches Gewicht. Integrationsprogramme stehen Jahre später immer noch nur auf dem Papier. Die deutsche Regierung ignoriert dies.
Im Kosovo herrscht weiterhin eine umfassende Diskriminierung der Roma. Die albanische Bevölkerungsmehrheit schanzt sich die wenigen Arbeitsgelegenheiten zu. Die Folge ist eine fast hundertprozentige Arbeitslosigkeit bei Roma. Die von der Bundesregierung zitierte durchschnittliche Arbeitslosigkeit von mehr als 45 Prozent spiegelt dies nicht wieder. Abschiebungen von Roma führen auch weiterhin in vielen Fällen auf die Müllhalden des Kosovo. Trotz jahrelanger Kritik internationaler Organisationen sind 500 Roma weiterhin gezwungen, in bleiverseuchten Lagern zu leben. Die Regierung des Kosovo hat weder den Willen noch die Mittel, daran etwas zu ändern.
Wo die Kritiker allesamt weiterbestehende Ausgrenzung, Diskriminierung und Verelendung sehen, da sieht die Bundesregierung lediglich „Defizite auf lokaler Ebene“ oder „Koordinationsschwierigkeiten innerhalb des kosovarischen Staates“ sowie „Funktionsdefizite in Justiz und Verwaltung“. Die Rechtstaatsmission Eulex springt da hilfreich bei. Wo UNHCR Kosovo-Roma im gesamten Gebiet des Kosovo Androhungen physischer Gewalt und sonstigen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sieht, da qualifiziert EULEX konkrete Zwischenfälle „nicht als ethnisch motivierte Verfolgungshandlungen“.
Hilfen für Rückkehrer / Abgeschobene aus Deutschland und anderen westeuropäischen Staaten gibt es von kosovarischer Seite nicht. Sozialhilfe gibt es für vereinzelte Rückkehrer in der Kommune, in der sie bei der Flucht gemeldet waren. Können sie dorthin nicht zurück, gehen sie leer aus. Wohnungen werden häufig an Roma nicht vermietet, meist haben sie ohnehin kein Geld.
Das deutsche Abschiebungsbegleitprogramm heißt URA2. Dessen Möglichkeiten und Kompetenzen sind beschränkt. Unterstützung gibt es nur für maximal fünf Monate, danach stürzen Abgeschobene ins Elend. In der Beantwortung der Bundestagsanfrage hält die Bundesregierung die Fahne dieses kurzatmigen und nicht nachhaltigen Projektes gegen alle Fakten hoch.
PRO ASYL fordert einen sofortigen Abschiebestopp für Roma, Ashkali und sogenannte Kosovo-Ägypter. Die Bundesregierung muss Anstrengungen unternehmen, die kosovarische Regierung bei der Schließung der bleiverseuchten Lager in der Region Mitrovica zu unterstützen. Papierene Absichtserklärungen genügen nicht für eine Rückkehr in Würde.
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Bastian Wrede, Flüchtlingsrat Niedersachsen (recherchiert Roma-Abschiebungen in den Kosovo): 05121 15 605