ZAG - Zeitung Antirassistischer Gruppen Nr.
25, 1997:
"Also blieb nur die
Methode mit gefälschten Papieren übrig"
Von welchen die auszogen, Fluchthilfe zu organisieren
Abgesehen von den sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen,
die schon per Definition in Deutschland unerwünscht sind, sind auch
die ehemals 'edlen' Fluchtgründe, nämlich die aus politischem
und sozialen Engagement resultierende Verfolgung, in der Regel chancenlos
geworden. Denn nach derzeitiger Rechtslage erreicht eigentlich niemand
mehr die Bundesrepublik legal. Ergo ist er oder sie "illegal".
Aus der Illegalisierung hilft vor allem die Unterstützung durch sachkundige
Menschen, die Hilfestellung leisten und die Betreuung in Deutschland übernehmen.
Mit einem dieser finsteren und vaterlandslosen Zeitgenossen sprach die
ZAG und erhielt ein - zumindest in diesem Fall - doch etwas anderes Bild.
In dem so kriminellen und illegalen Dunkelmänner-Bereich der Fluchthilfe
bewegen sich oft unversehens Menschen, deren einziges kriminelles Motiv,
ein etwas humaneres und weniger zynisches Weltbild als das der Asylgesetzgebung
ist. Allein die Überzeugung bedrohten Menschen helfen zu müssen,
reicht völlig aus, um als Krimineller angesehen zu werden. Dabei
ergeben sich seltsame Unterschiede zwischen dem offiziell transportierten
und generalisierten Bild und dem - sicherlich nicht allgemein gültigen
- Bild engagierter Menschen, die ihr Privatvermögen einsetzen um
dort zu helfen, wo Menschen um ihr Leben fürchten.
In den kriminellen Bereich der Fluchthilfe geriet unser Gesprächspartner,
nachdem alle legalen oder halblegalen Versuche kurdische Mitarbeiter eines
Projekts im Irak, nach der Invasion irakischer Truppen in die UN- Schutzzone,
aus ihrer lebensgefährlichen Situation zu helfen. Gegen sie hatte
Saddam Hussain ganz offiziell das Todesurteil ausgesprochen, da sie mit
Ausländern zusammenarbeiteten. Die anschließende Reaktion der
einzelnen Staaten schildert unser Gesprächspartner als sehr unterschiedlich.
"Die Amerikaner haben dann ihre Leute alle herausgeholt - in Deutschland
gab es lange Verhandlungen darüber, das Land Niedersachsen hat's
probiert. Wir versuchten dann, die Leute ganz naiv durch Einladungen hierher
zu holen, einen befristeten Aufenthalt zu beantragen." Aber all diese
Versuche die legalen Möglichkeiten auszuschöpfen, scheiterten
an der deutschen Ausländerpolitik. Was aber tun, wenn die deutsche
Bürokratie an Menschenleben nicht interessiert ist? Für unseren
Gesprächspartner kam ein Aufgeben nicht in Frage, hätten sie
doch Bekannte in Lebensgefahr einfach im Stich gelassen. Es mußte
nach anderen Wegen gesucht werden, Wegen, die nicht "legal"
aber sehr teuer sind. "Also blieb nur noch die Methode mit gefälschten
Papieren übrig. Es war natürlich auch eine Sache der Finanzierung,
denn es ist ja überhaupt nicht billig, wenn es sich um so viele Leute
handelt. Bei dem Weg, der dann beschritten wurde, liegen die Kosten bei
ungefähr 10.000 DM pro Person, egal ob Kind oder Erwachsener. Schon
für 15 - 20 Personen sind da die Kosten riesig."
Und so gelangt man unversehens in einen Bereich, der in Zeiten der deutsch-deutschen
Grenze noch heldenverdächtig war, und heutzutage organisierte Kriminalität
genannt wird. Aber angesichts der sich zuspitzenden Lage im Irak, hatte
unser Gesprächspartner keine Zeit, sich um eventuelle strafrechtliche
Konsequenzen Gedanken zu machen. Die Realität forderte schnelles
Handeln, und läßt wenig Alternativen. "Natürlich
gibt es die sogenannten Schlepper. Organisationen, die Fluchthilfe aus
humanitären Gesichtspunkten betreiben, gibt es im Irak ja nun gar
nicht. In der Regel besteht die einzige Möglichkeit, den Irak zu
verlassen darin, sich in die Hände der sogenannten Schlepper zu begeben,
um an Papiere und anderes heranzukommen." Das es dabei stets um skrupellose
und hochorganisierte Mafiosis handelt, wie es deutsche Politik und Medien
gebetsmühlenhaft beschwören, kann unser Gesprächspartner
allerdings nicht bestätigen. "Diese Schlepper sind aber eigentlich
ganz brave Leute, die sich dadurch etwas Geld verdienen, daß sie
wissen, wie man's macht. Sie sehen nur eine Finanzquelle, eine politische
Motivation haben sie, soweit mir das bekannt ist, nicht. Ich kann natürlich
nur über den Irak sprechen, aber da gibt es überhaupt keine
Unterstützung, weder von den UN, noch von anderen Organisationen
oder Parteien. "Die Berichte über rabiate Fluchthelfer, die
Flüchtlinge mißhandeln oder in den Tod schicken, bewahrheiteten
sich in diesem Fall auch nicht. Die Leiden und die Gefahren für die
Flüchtlinge gingen nicht von den kommerziellen Helfern aus. Die immer
kleiner werdenden Löcher im Zaun der Überwachung verursachten
die Gefährdung. Sie macht auch die "organisierte" Flucht
für die Betroffenen zu einem langen, zeitaufwendigen Weg, der voller
Ungewißheit und Ängste ist. "Die Flüchtlinge müssen
ja in der Regel große Strecken zu Fuß oder mit einem Lastwagen
zurücklegen. Alle anderen Verkehrsmittel wie Züge oder Flugzeuge
sind viel zu gefährlich wegen der ständigen Kontrollen. Eine
Flucht mit dem Flugzeug ist wegen der elektronischen Überwachungsmaßnahmen
illusorisch. Dann ist es natürlich so, daß der Druck enorm
groß ist, wenn zum Beispiel Flüchtlinge als blinde Passagiere
auf einer Fähre übersetzen, weil sie keine Papiere haben. Es
ist ein enormer Streß, du darfst auf keinen Fall husten,. weil ja
jeder weiß: Wenn ich auffällig werde, dann war's das für
alle. Ich habe mitbekommen, daß dieser Druck alle psychisch vollkommen
zermürbt hat."
Eine besondere Bedeutung hat die Hilfe für die 'Illegalen' auch in
den Zielländern. Nach den Torturen der Flucht bedarf es UnterstützerInnen
mit großer Sachkenntnis und Einfühlungsvermögen, um das
Risiko einer sofortigen Abschiebung zu vermeiden. Natürlich sollte
dabei nie vergessen werden, wie nah die Kriminalisierung auch dieser Menschen
bei der aktuellen politischen Tendenz ist.
Wenn die Flüchtlinge, die nur mit Hilfe hiesiger Unterstützer
und kommerzieller Fluchthilfeorganisationen "illegal" nach Deutschland
gelangen konnten, teilweise erfolgreich durch das Asylverfahren kommen,
zeigt sich der ganze Zynismus und die Absurdität der deutschen Migrationspolitik.
Und dies umso mehr, wenn zwar von deutschen Gerichten die Verfolgung der
Betroffenen zwar anerkannt ist, die UnterstützerInnen aber noch lange
nicht vor Strafverfolgung schützt.
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