BZ-INTERVIEW mit dem Historiker Heinrich Schwendemann über die Ausstellung "Widerstand und Verfolgung in Südbaden"
Badische Zeitung vom Mittwoch, 21. Mai 2008
Noch gibt es Lücken in der Forschung
Mit dem Widerstand in Südbaden von Kommunisten und Sozialdemokraten in der NS-Zeit befasst sich eine Ausstellung, die seit vorgestern in der Katholischen Fachhochschule (KFH) zu sehen ist. Entworfen wurde sie vom "Arbeitskreis Widerstand und Arbeitergeschichte Waldkirch" in Zusammenarbeit mit der Gruppe "Politik im Café" der KFH. Frank Zimmermann sprach mit dem Historiker Heinrich Schwendemann von der Uni Freiburg über den Widerstand und sein Scheitern.
BZ: Wie gut ist das Thema erforscht?
Schwendemann: Sehr gut erforscht ist der 20. Juli und der nationalkonservative Widerstand. Beim kommunistischen und sozialdemokratischen Widerstand gibt es hingegen noch einige Lücken, eine neuere Gesamtdarstellung liegt nicht vor. Regionale und lokale Studien gibt es hingegen einige neuere, zum Beispiel Forschungen über die Auswirkungen der Denunziationen, da ist Erschreckendes zutage getreten. Mit dem Zugang zu den Archiven der ehemaligen DDR haben wir Quellenmaterial bekommen, das vorher nicht verfügbar war. Auch der "Arbeitskreis Widerstand und Arbeitergeschichte" hat diese Archive genutzt und wichtige Interviews mit Zeitzeugen geführt.
BZ: In der öffentlichen Wahrnehmung überstrahlt der 20. Juli alles. Man denke nur an das mediale Brimborium um den Stauffenberg-Film mit Tom Cruise.
Schwendemann: Das ist richtig, im öffentlichen Gedächtnis ist der kommunistische und sozialdemokratische Widerstand heute nicht präsent, aber unter Historikern wird der 20. Juli bei aller Wertschätzung auch kritisch gesehen. Stauffenberg und seine Mitstreiter waren schließlich keine Demokraten, und das gilt auch für ihre außenpolitische Vorstellung — Deutschland sollte Großmacht bleiben. Fest steht: Die Kommunisten waren die Ersten, die in den Widerstand gingen, und sie haben mit 20000 Toten den größten Blutzoll gezahlt, jeder Zweite von ihnen wurde irgendwann in der NS-Zeit mindestens einmal verhaftet. Jemand wie der Freiburger Jakob Treffeisen, der nach dem Krieg kommunistischer Stadtrat war, war zehn Jahre im KZ.
BZ: Warum ist der Widerstand der Arbeiter gescheitert?
Schwendemann: Früher hat man als Hauptgrund die Spaltung von SPD und KPD genannt und die gegenseitigen Schuldzuweisungen. Die gesellschaftliche Basis für einen breiten Arbeiterwiderstand war einfach nicht gegeben mit Weltwirtschaftskrise, hoher Arbeitslosigkeit und einer Radikalisierung — ein nicht unerheblicher Teil der Arbeiterschaft hat ja auch NSDAP gewählt. 1932/33 war die sozialistische Arbeiterbewegung geschwächt, ein Aufstand hätte Tausende von Toten zur Folge gehabt. Den Machtapparat hatte die NSDAP, unterstützt von den Konservativen, zu dieser Zeit auch schon in den Händen. Wäre beispielsweise zum Generalstreik aufgerufen worden, dann wäre diesem Aufruf auch nur ein Teil der Arbeiterschaft nachgekommen.
BZ: Was hat den Arbeiterwiderstand in Freiburg und der Region ausgezeichnet?
Schwendemann: Der kommunistische Widerstand bestand hier nur aus wenigen Zellen, solche gab es zum Beispiel in Waldkirch oder Freiburg. Zwischen 1935 und 1937 wurden jedoch alle Widerständler enttarnt, von da an gab es keinen organisierten Widerstand der Arbeiter mehr. In Bezug auf den reichsweiten Widerstand war die Region wegen der Verbindung ins nahe Basel wichtig.
BZ: Die Ausstellung findet im Rahmen des Aktionsmonats "Zusammen die Utopie leben" statt. Inwieweit hatten die Arbeiter im Widerstand eine Utopie?
Schwendemann: Bei den Kommunisten waren Revolution und Umsturz die Utopie. Die Tatsache, dass die deutschen Kommunisten keine Demokraten waren, hat eine Erforschung und Würdigung in der Bundesrepublik deshalb auch lange Zeit schwierig gemacht — Antikommunismus war in Westdeutschland im Grunde ja eines der Fundamente des Staates. Aber das alles soll den Widerstand der Arbeiterschaft nicht relativieren: Was diese Leute unter Einsatz ihres Lebens gemacht haben, muss anerkannt werden.
KFH, Haus 3, Karlstraße 63. Montag bis Freitag 8 bis 19 Uhr, Samstag 8 bis 17 Uhr.